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Tempelhofer FeldMüller wirbt mit günstigem Wohnen

Der Senat stellt seinen Masterplan für das Tempelhofer Feld vor. Fast 200 Millionen Euro sollen Bebauung und Bepflanzung kosten. Viele Bürger sind dagegen.

Es wird enger auf dem Tempelhofer Feld. Bild: taz

Die Haupthalle am Tempelhofer Feld ist voll besetzt, als Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) am Mittwochabend seinen Masterplan für die Bebauung des Tempelhofer Felds vorstellt. Hunderte Bürger sind gekommen. Sie wollen wissen, was aus den unendlichen Weiten des ehemaligen Flughafens werden soll. Viele von ihnen möchten keine Häuser auf der Fläche, manche wollen ihre Gartenparzellen retten.

Doch der Senat will bauen: Drei große Quartiere mit insgesamt 4.200 Wohnungen sollen am Rand des Tempelhofer Felds in den nächsten Jahren entstehen, und zwar im Westen am Tempelhofer Damm, im Süden am S-Bahn-Ring und im Osten an der Oderstraße. „Es gibt ein Bedürfnis nach bezahlbarem Wohnraum“, sagte der Senator. „Wir wollen keine Luxuslofts bauen.“ Müller rechnet mit Gesamtkosten für die Randbebauung in Höhe von 130 Millionen Euro bis 2025. Weitere 61 Millionen Euro sind für die Parkanlage veranschlagt.

Zunächst sollen die Bauarbeiten im Westen am Tempelhofer Damm beginnen. Dort soll die neue Zentral- und Landesbibliothek errichtet werden. Für dieses „Bildungsquartier“ sieht der Senat den Bau von 1.300 kleinen, bezahlbaren Wohnungen vor, die sich auch Studenten leisten können sollen. Das Quartier wäre direkt an die S- und U-Bahn-Station Tempelhof angebunden. Die Bibliothek grenzt an die südliche Start-und-Lande-Bahn an. Der Beamer wirft helle Hochglanzbildchen an die Wand.

Mit 1.700 Wohnungen soll das größte Wohngebiet im Osten, angrenzend an die Oderstraße, entstehen. Südlich davon, wo es bereits heute einen kleinen Sportpark gibt, will der Senat eine Grundschule und zwei Kindertagesstätten bauen lassen, die auch für den angrenzenden Schillerkiez gedacht sind.

Ein drittes Wohnquartier soll sich im Süden entlang des S-Bahn-Rings über rund anderthalb Kilometer erstrecken. Dieses Gebiet will der Senat als letztes in Angriff nehmen. Hier geht es um 1.200 Wohnungen. Hinter den Wohnhäusern, direkt an der S-Bahn, soll ein Gewerbegebiet geschaffen werden. Für das Quartier plant der Senat zudem eine neue S-Bahn-Station, die „Tempelhofer Freiheit“ heißen soll. Eine Brücke soll das Quartier mit der S-Bahn-Station bei der Oberlandstraße verbinden.

Kreativwirtschaft ins Flughafengebäude

Der Senat plante ursprünglich für den Norden ein viertes Wohngebiet, das Columbia-Quartier, mit 500 zusätzlichen Wohnungen. Doch diese Flächen kommen im Plan nicht mit vor. Das Quartier sei aber nicht gänzlich vom Tisch.

Der Masterplan sieht vor, dass die ehemaligen Start-und-Lande-Bahnen und das Flughafengebäude erhalten bleiben. Das Gebäude soll aber bis 2020 weiter saniert werden. Der Senat rechnet mit 67.000 Quadratmeter Fläche, die dann an Unternehmen der Kreativwirtschaft vermietet werden könnten.

Ebenso würde der größte Teil der Freifläche unverändert bleiben. Deutliche Veränderungen würde es nur im nördlichen Bereich der Freifläche geben. Auf insgesamt 230 Hektar will der Senat schrittweise bis 2025 einen Park anlegen. Dazu kommt ein drei Hektar großes Wasserbecken, in dem das anfallende Regenwasser vom Flughafengebäude gesammelt und zur Parkbewirtschaftung genutzt werden soll. Bereits im Herbst sollen die Bauarbeiten für das Becken beginnen.

Doch den meisten Applaus gab es nicht für die Präsentation, sondern für Julius Dahms von der Initiative 100% Tempelhofer Feld. Der will verhindern, was da auf den Hochglanzbildern zu sehen ist. Er warf dem Senat vor, die Bürger vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Initiative bezweifelt, dass auf dem Feld günstiger Wohnraum geschaffen werden kann. „Wir befürchten dass es hier vor allem um Luxusbauten geht“, sagte Felix Herzog von der Initiative. Langfristig, so Herzog, könnten immer mehr Flächen vom Feld zugebaut werden.

Unterstützung für die Initiative kommt von der Opposition. „Der Senat darf die Stadt mit seinen weiteren Planungen nicht vor vollendete Tatsachen stellen“, sagte Berlins Grünen-Vorsitzender Daniel Wesener. Grüne und Linke forderten mit einem Antrag im Abgeordnetenhaus einen Planungsstopp, solange das Volksbegehren nicht abgeschlossen ist. Im September geht das Begehren in die zweite Runde. Dann muss die Initiative 173.000 Unterschriften sammeln.

Die Senatsverwaltung verspricht sich von dem Bauvorhaben eine Entlastung der angespannten Wohnsituation. Müller rechnet damit, dass 254.000 Neuberlinern bis 2030 in die Stadt ziehen werden. Dafür seien rund 137.000 neue Wohnungen notwendig.

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7 Kommentare

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  • N
    nick

    Gab es denn vom Senat auch konkrete Vorschläge wie verhindert werden solle dass die Wohnung auf dem Tempelhofer Feld unerschwinglich teuer werden oder war das nur eine hohle Phrase ohne argumentativen Background?

  • TL
    Tim Leuther

    Anwohner sind NIMBYS

  • PM
    Peter Mitscherling

    Zu den demokratischen Spielregel hätte es gehört, dass nach Bekanntgabe der Stimmenauszählung ... immerhin über 33.000 Personen die sich für den Erhalt des Feldes aussprachen ... ein Moratorium, soll heißen ein Bauvorbereitungsstop unbedingt hätte greifen müssen. Es ist einigermaßen befremdlich zu sehen, dass Teile des nur bauwütig zu nennenden Senats, mit den sich um das "Feld" offenkundig bildenden wahren demokratischen Strukturen nicht umzugehen weiß! Das gilt nicht nur für Tempelhof, sondern ein weiteres bedenkliches Beispiel auch für den Teilabriß der Mauergallerie. Ein Regierender hat sich nicht auf Partys mit zum Teil zwilichtigen Figuren herumzudrücken, während Teile des Touristenmagnetes zerstört werden um "achherje! du meine Güte!!" mal eben für geschätzte 150 000,-€ Steuergeldplemperei den Schaden heile...heile Gäns`chen grinsend wieder reparieren zu lassen. Ob den Zusicherungen wowereitscher Machart Glauben zu schenken ist, darf bezweifelt werden. Was machen diese "Alleskönner mit Berlin?"

  • S
    sara

    Ich glaube dem Senat nicht, dass er am Rand des Tempelhofer Feldes günstige Wohnungen bauen lassen will. Dafür haben die SPD und die Linke in der Vergangenheit eine zu unsoziale Wohnungspolitik in Berlin gemacht, in dem sie landeseigene Wohungsbaugesellschaften verkauft haben. Der jetzige Koalitionspartner CDU ist wohl kaum sozialer eingestellt.

     

    Ich denke, es wird sich hier um für normale Leute unerschwingliche Wohnungen handeln. gegen den Bau von Luxuswohnungen bin ich aber auf dem tempelhofer feld und am Spreeufer (East Side Gallery).

     

    Der Landesvorsitzende Daniel Wesener sollte sich mal um die katastrophale Politik der Grünen in Friedr.-Kreuzberg kümmern, wo er her kommt.

     

    Da werden ständig vom grünen Umweltstadtrat Absprachen ignoriert, die er mit Bürgerinitiativen getroffen hat.

     

    U.a. im Görlitzer Park und am Landwehrkanal. Da hat er zum zweiten Mal einen gesunden Baum fällen lassen und die Beschlüsse des (in der Presse und kurioserweise von den Grünen gelobten) Mediationsverfahrens missachtet.

     

    Die AnwohnerInnen sind seit langem entsetzt über die "Umweltpolitik" der Partei B 90/Die Grünen !

     

    Die BVV jetzt auch.

    BVV-Resolution:

    http://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/bvv-online/vo020.asp?VOLFDNR=5380&options=4

  • F
    flopserver

    @von Meier3

    "Viele Bürger sind dagegen"

    In Zeiten von für alle offen sichtbaren immensen (Kosten-) Fehlplanungen bei Großbaustellen wie Stuttgart 21, BER, Elbphilharmonie, Tempodrom etc.

     

    Und jetzt sollen weitere Großbaustellen auf dem Tempelhofer Feld entstehen, wo doch das Riesengebäude des ehem. Flughafens nicht mal ansatzweise flächenddeckend ausgenutzt wird.

     

    Das schönste, neuste Kiezleben wird dort versprochen, direkt an dem Abscnnitt der Autobahn A100 (Südring), wo künftig der größte Verkehrsschwerpunk Berlins erwartet wird. Wegen dem großen Zugangsverkehr sollen laut Senatsbaudirektorin Lüscher auf Neuköllner Seite die Erdgeschosse wohnungsfrei bleiben: Erste Abschirmungstendenzen der künfigen Wohnbezirksbewohner gegen die Parkbesucher! Was wird da noch folgen? Zäune gegen Surfer, Kiter, Sportler?

  • M
    Meier3

    "Viele Bürger sind dagegen."

     

    In Zeiten von Berufsempörten und Wutbürgern eigentlich keine Nachricht;-)

  • DK
    Detlev Klein

    Wenn die Prognosen stimmen, dann wäre die reine Anzahl an Wohneinheiten wohl zu gering, zumal sie wenigstens halbwegs zentral liegen und somit für Studenten wohl interessanter wären, als Siedlungen am Stadtrand. Allerdings kommt mir es so vor, als ob der Senat solange untätig bleibt, bis er dann gar nicht mehr anders kann, als große Siedlungen am Stadtrand zu errichten, wo dann die übllichen Probleme und Entwicklungen einsetzen könnten, über die man gut und gerne 40 Jahre gesprochen hat.