Bauarbeiter über Folgen von Asbest: „Ich habe überlebt“
In fast 10 Millionen Wohnhäusern in Deutschland steckt Asbest. Der Maurer Wolfgang Leihner-Weygandt hatte immer wieder Kontakt damit – und erkrankte.
taz: Wie hat sich Ihre Krankheit bemerkbar gemacht, Herr Leihner-Weygandt?
Wolfgang Leihner-Weygandt: Es fing 1994 an mit Schmerzen im Schulterbereich, ein halbes Jahr bin ich von Orthopäde zu Orthopäde gelaufen. Ostern 1995 kam die Diagnose Lungenkrebs, dann Operation. Vom oberen rechten Lungenflügel wurde mir ein Teil in der der Größe eines Tetrapaks rausgenommen. Das fehlt mir jetzt, ich merke das zum Beispiel immer, wenn ich Treppen steigen muss. Dann werde ich kurzatmig.
Schon seine Eltern hatten ein Baugeschäft. Er lernte Maurer und erkrankte später an Lungenkrebs. Heute ist der 69-Jährige im Ruhestand und lebt in Darmstadt.
Wie ist das mit Schadenersatz?
Bekomme ich nicht. Die Berufsgenossenschaft hat meine Krankheit nicht als berufsbedingt anerkannt. Also bekomme ich auch keine zusätzliche Rente von ihr. Man muss 25 Faserjahre haben, mir fehlen 5.
Was ist denn ein Faserjahr?
Das ist ein theoretischer Wert. Ein Jahr steht dafür, dass Sie über acht Stunden Luft ausgesetzt sind, wo in einem Kubikmeter eine Million Fasern enthalten sind. Man hat schon 40 Millionen Fasern pro Kubikmeter Luft, wenn man ein Eternitrohr schneidet. Das ist also eigentlich schnell erreicht.
Wie lange haben Sie mit der Berufsgenossenschaft gekämpft?
Etwa zwei Jahre, da werden dann Sachverständige eingeschaltet. Mich ärgert das. Denn es gab auch einen medizinischen Nachweis, dass es an Asbest liegt. Die entnommene Lunge wurde eingeäschert, Asbest verbrennt nicht. Der bleibt übrig. Da konnte man sehen, was los war. Aber es heißt, die Einäscherung sei nicht nach den erforderlichen Standards gemacht worden. Die Berufsgenossenschaft sagte, ich müsse nochmals eine Biopsie der Lunge machen. Das wollte ich aber nicht. Die Operation hat mir gereicht.
Wie viel hatten Sie mit Asbest zu tun?
Meine Eltern hatten ein Baugeschäft, schon als Zwölfjähriger war ich regelmäßig auf Baustellen. Nach einem Studium habe ich Maurer gelernt, ich habe Zementfaserplatten mit einer Kreissäge zerschnitten, viel mit Spachtelmassen gearbeitet. Da war überall Asbest drin, da sind ohne Ende Fasern rumgeflogen. Der Arbeitgeber hat mir davon nichts gesagt.
Wie geht es Ihnen heute?
Gut, ich habe Glück gehabt, dass ich zu den 20 Prozent gehöre, die überlebt haben. Für 80 Prozent geht das anders aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen