Baseball protestiert gegen Georgia: Für alle Plätze im Bus
Die Major League Baseball hat ihr Allstar-Spiel von Atlanta nach Denver verlegt. Aus Protest gegen die reaktionären Wahlgesetze in Georgia.
![Draufsicht auf volles gut beleuchtetes Baseball-Stadion Draufsicht auf volles gut beleuchtetes Baseball-Stadion](https://taz.de/picture/4781689/14/27148913-1.jpeg)
W enn die Schwergewichte in den Ring steigen, dann weiß man, dass es um etwas Bedeutendes geht. Zuerst meldete sich Ex-Präsident Barack Obama und gratulierte der Major League Baseball (MLB) dazu, „Haltung gezeigt zu haben“. Da musste sein Nachfolger Donald Trump natürlich die Gegenposition einnehmen und rief gleich dazu auf, „Baseball zu boykottieren“.
Was war passiert? Die MLB hatte sich entschlossen, das Allstar-Spiel und den Draft, die Auswahl der Nachwuchstalente, nicht wie geplant in Atlanta stattfinden zu lassen. Stattdessen sollen sich die besten Baseball-Profis nun am 13. Juli in Denver zu ihrem Schaukampf treffen.
Der Grund: Die neu beschlossenen Wahlgesetze im Bundesstaat Georgia, die nach Ansicht der meisten Beobachter darauf zielen, vor allem Minderheiten das Wählen zu erschweren und dadurch republikanische Mehrheiten zu sichern. Der amtierende Präsident Joe Biden bezeichnete die Gesetzgebung als „Jim Crow auf Anabolika“ und „Jim Crow für das 21. Jahrhundert“, und MLB-Boss Rob Manfred sagte, man habe mit der Entscheidung „unsere Werte demonstrieren wollen“.
Nun fragt man sich vielleicht: Die ganze Aufregung wegen eines einzigen Baseball-Spiels? Finden davon nicht Tausende jedes Jahr statt? Ja, allerdings ist das alljährliche Allstar-Spiel nicht nur ein Show-Event, sondern auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Geschätzt über 100 Millionen Dollar Umsatz gehen der Stadt Atlanta durch die Absage der lustigen Sause verloren – und diese Zahlen sind durch die pandemiebedingten Einschränkungen sogar noch niedriger als sonst.
Auch Coca-Cola und Delta Airlines drohen
Noch schwerer wiegt der Imageverlust für Atlanta. Die Absage ist vor allem auch ein Symbol, das auf andere, sehr viel umsatzstärkere Branchen als den Profisport ausstrahlt. Coca-Cola und Delta Airlines, die ihre Konzernzentralen in Atlanta haben, haben bereits ihre Unzufriedenheit mit den Wahlgesetzen zum Ausdruck gebracht und signalisiert, Investitionen und Jobs aus Georgia in andere Staaten zu verlegen. 200 US-Firmen haben eine Protestnote unterzeichnet. Trump drohte denn auch nicht nur der MLB mit Boykott, sondern auch solchen „woken Unternehmen“.
„Woke“ zu sein, also besonders aufmerksam, was soziale Ungerechtigkeit und Rassismus angeht, das konnte man der MLB bislang nun wirklich nicht vorwerfen. Die Baseball-Liga gilt als konservativste der vier großen Sportligen in den USA, ihr Publikum als sogar noch weißer und älter als selbst das der Eishockey-Konkurrenz NHL. Immer wieder wird Kritik laut, dass Minderheiten im Management und Trainerstäben unterrepräsentiert sind.
Tatsächlich blieb der MLB wohl keine andere Wahl, als das Allstar-Spiel in Atlanta abzusagen. Nicht nur hatte der Chef der Spielergewerkschaft bedeutungsschwanger angedeutet, dass „die Spieler sich der neuen Gesetze sehr bewusst sind“, und einzelne Akteure hatten bereits angekündigt, der Show in Atlanta fernbleiben zu wollen. Zudem war geplant, während der Festivitäten den im Februar im Alter von 86 Jahren verstorbenen Hank Aaron zu ehren.
Aaron, der nahezu ein Vierteljahrhundert für die Atlanta Braves spielte, ist in die Baseball-Geschichte eingegangen als der Spieler, der als erster mehr Homeruns sammelte als die mystische Legende Babe Ruth. Dafür musste Aaron, der im Süden der USA aufgewachsen war, als dort noch die originalen Jim-Crow-Gesetze herrschten, jahrelang rassistische Angriffe ertragen und bekam säckeweise Todesdrohungen mit der Post. Dass Aaron die Anfeindungen mit übermenschlicher Gelassenheit und großer Würde ertrug, machte ihn zu einem Symbol für den Schwarzen Kampf um Gerechtigkeit.
Nun bleibt es abzuwarten, ob die Verlegung des Allstar-Spiels dazu beitragen wird, das Erbe von Hank Aaron zu bewahren. Er selbst war pessimistisch, ob der Sport wirklich eine politische Wirkung haben kann. „Auf dem Spielfeld dürfen Schwarze Giganten sein“, sagte er einmal. „Aber wenn sie nicht mehr spielen, hat das ein Ende und sie können wieder am Ende des Busses sitzen.“
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