Bankrotterklärung des Innenministers: Friedrich ruft zum Verschlüsseln auf
Die Innenpolitiker der CSU sagen, dass die Bürger beim Datenschutz nicht auf den Nationalstaat hoffen dürfen. Sie sollen ihre Daten selber schützen.
BERLIN taz | Als Konsequenz aus der Spähaffäre hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Bürger zum Verschlüsseln ihrer Onlinekommunikation aufgerufen. „Wir werden dafür sorgen, dass noch mehr Menschen in Deutschland ihre eigene Kommunikation noch sicherer machen“, sagte Friedrich nach einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Überwachung der Geheimdienste (PKGr). Als Mittel nannte er Verschlüsselungstechnik und Virenabwehrprogramme.
Die Diskussion habe gezeigt, dass inzwischen „vieles technisch möglich ist“. Das mache neue „Abwehrmaßnahmen“ nötig. „Wer seine Daten sichern will, wird sie wohl verschlüsseln müssen und kann nicht mehr auf seinen Nationalstaat hoffen“, mahnte auch der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl.
Die globalen Kommunikationswege hätten tiefgreifende Folgen: „Herkömmlicher Datenschutz, durch nationale Gesetze organisiert, stößt an seine Grenzen“, sagte der CSU-Politiker. „Die Zeiten des Biedermeier sind vorbei.“ Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es das Verfassungsgericht im Volkszählungsurteil festgehalten habe, sei „eine Idylle aus vergangenen Zeiten“. Ein solches Urteil „würde es heute so nicht mehr geben“.
In der Sitzung des Kontrollgremiums versicherten die Vertreter von Regierung und Nachrichtendiensten erneut, sie hätten von der Überwachungspraxis der Amerikaner nichts gewusst. Die Verfassungsschützer versicherten auch, sie hätten keine Erkenntnisse, dass tatsächlich Leitungen oder Internetknotenpunkte auf deutschem Boden angezapft worden seien.
Vorwürfe der Opposition
Die Opposition warf der Regierung nach der vierten geheimen Sondersitzung des PKGr zur Spähaffäre der USA vor, die entscheidenden Fragen nicht geklärt zu haben. Friedrich sei „mit leeren Händen“ aus den USA zurückgekommen, sagte der SPD-Innenpolitiker Thomas Oppermann. Merkel müsse die Angelegenheit deshalb nun zur Chefsache machen: „Die Bundeskanzlerin muss sich selbst vor die Bürgerinnen und Bürger stellen und ihre Grundrechte schützen“, sagte Oppermann.
Wenn die Amerikaner dem deutschen Innenminister Auskünfte verweigerten, müsse Merkel mehr Druck machen. Der SPD-Politiker warf der Regierung auch vor, in der Affäre auf Zeit zu spielen und die Aufklärung auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschieben.
Der Grünen-Politiker Christian Ströbele beantragte nach eigenen Angaben in der Geheimrunde, Kanzlerin Angela Merkel vor das PKGr zu laden und „unter Wahrheitspflicht“ zu befragen. Über den Antrag werde in der nächsten Sitzung entschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“