Bankfiliale wird Unterkunft: Die Tabus der anderen

Bremer Koalition streitet darüber, wo Flüchtlinge nach den Notunterkünften wohnen sollen. Bundesbank will Büro für Erstaufnahmelager räumen.

Ein Radfahrer fährt an der Filiale der Bundesbank in Bremen vorbei

Hier sollen bald Flüchtlinge leben: Filiale der Bundesbank. Foto: Jan Zier

BREMEN taz | Die Bundesbank wird geräumt – für Flüchtlinge! Das klingt natürlich nach einer Schlagzeile, nach einem Symbol. Und genau darum geht es doch immer wieder, in diesen Tagen: um Zeichen, die gesetzt werden.

Ob am Ende was daraus wird, ist unklar. Fest steht nur, dass die Bundesbank Bremen verlässt. Und ihre Filiale dort aufgibt, Ende des Monats. Es ist ein Büro in zentraler, zudem bevorzugter Bremer Lage, gleich neben dem Landesrechnungshof, mit diversen Logistikfirmen als Nachbarn.

2.000 Quadratmeter Bürofläche und dann nochmal so viel, weil die Geldbearbeitungsmaschinen ja auch ausziehen. Das sind jene Gerätschaften, mit denen die Bundesbanker das umlaufende Bargeld prüfen. Über 200 Filialen hatten sie einst. Doch auch die Bundesbank muss sparen. Inzwischen sind es nicht mal mehr 40.

Drei davon hat die Bundesbank jetzt dem Bund angeboten. Neben der Bremer ist das auch die Kieler Dependance. „Dort sollen jetzt zügig Erstaufnahmelager entstehen“, berichtete die Süddeutsche Zeitung – für jeweils mindestens 500 Flüchtlinge.

Auf das „Instrument der Zwangsbelegung“ zurückgreifen will in Bremen angesichts der „Notsituation“ die Linkspartei: „Es kann nicht angehen, dass Gebäude ungenutzt leer stehen, während Menschen in Zelten untergebracht werden“, findet sie.

Mit bestehenden rechtlichen Regelungen sei das möglich, versichert die Linke. Die Grünen widersprechen – sind aber eh dagegen: Zwang gefährde die Akzeptanz von Flüchtlingen.

Der Bund müsste die Büros allerdings zu „marktgerechten Preisen“ mieten, weil alles andere eine – streng verbotene! – Finanzierung staatlicher Aufgaben wäre. Dass die Bundesbank den Gewinn an den Bund abgeben muss, der ihn dann wiederum der zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben überweisen kann – egal.

Im Sozialressort in Bremen findet man das Angebot der Bundesbank „interessant“ – weswegen es nun „geprüft“ wird. Für die „akute Unterbringung“ von Flüchtlingen sei die Büroimmobilie aber ungeeignet, sagt der Ressortsprecher, ein Erstaufnahmelager also „nicht von heute auf morgen umsetzbar“. Also wird am Wochenende erst mal wieder eine Turnhalle bezogen.

Unterdessen ist in der rot-grünen Bremer Koalition ein Streit darüber ausgebrochen, wohin all die Geflüchteten ziehen sollen, wenn sie aus Zelten, Turnhallen und Übergangswohnheimen raus dürfen. Und da kommen nun alte, symbolisch aufgeladene Konflikte wieder hoch, die schon der Koalitionsvertrag ungelöst ließ.

4.000 neue Wohnungen müssten her, sagt die SPD, und nächstes Jahr nochmal so viele. Also gräbt die SPD ihre Idee wieder aus, Grünflächen am Stadtrand mit Miets- und Reihenhäusern zu bebauen, Ecken, die Brokhuchting heißen oder Osterholzer Feldmark. Die Grünen sind strikt dagegen. Doch der SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe verkündete dem Koalitionspartner in einem großen Interview mit dem Weser Kurier: „Es geht gar nicht anders.“

Das können die Grünen nicht auf sich sitzen lassen. Den Vorschlag müsse man „ernsthaft angucken“, sagte der grüne Baupolitiker Robert Bücking, der eigentlich Bausenator hatte werden wollen. Ganz so ernsthaft dann aber auch wieder nicht: „Die Idee“, verkündete Bücking der geladenen Presse, „ist vollständig aus der Zeit gefallen.“ Bücking erinnerte an Projekte der Fünfziger und Sechziger, die heute weltfremd erscheinen.

„Drei Jahre würde es dauern, mindestens, ein Baugebiet „zu entwickeln“, sagte der frühere Ortsamtsleiter, und „ein Wunder“ wäre es, könnte das noch 2016 gelingen. Mit anderen Worten: Das dauert zu lang.

Bücking, der fordert, „lieb gewonnene Tabus zur Diskussion zu stellen“, wiederholt nun seinerseits alte grüne Ideen, bei denen es stets um „Bauen im Bestand“ geht, um Innenstadtverdichtung, um Gewerbegebiete, in denen sich keiner ansiedelt.

Eine neue Idee haben die Grünen dennoch: Sie wollen mit Hilfe eines Förderprogrammes Eigenheimbesitzer überzeugen, ihre „unternutzten“ Häuser umzubauen. Dort, wo einst die Kinder wohnten, sollen nun Einliegerwohnungen für Geflüchtete mit „sicherer Bleibeperspektive“ entstehen.

Wie viel Wohnraum das bringt? „Das weiß keiner“, sagte Bücking, der sicher ist, dass es derlei „kleine, zickige Projekte“ sind, „die uns jetzt weiterhelfen“. Allerdings denkt man bei den Grünen trotzdem darüber nach, den staatlichen Wohnungsbau wiederzubeleben.

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