Banken-Skandal: Berlin kann den Schirm zuklappen
Senat hält die 2002 beschlossene Milliarden-Absicherung für Risiken der Bankgesellschaft nicht mehr für nötig. Angeblich keine Verluste, weil Nachfolgerin Berlinovo floriert.
Berlin kommt aus dem Kollaps der damals landeseigenen Bankgesellschaft vor 17 Jahren offenbar ohne die befürchteten Milliardenverluste heraus. Man werde bis 2020 „plus minus null“ abschließen können, versicherten Regierungschef Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung. Die 2002 beschlossene sogenannte „Risikoabschirmung“ von 21,6 Milliarden Euro soll dann nicht mehr nötig sein.
Die neue rot-rote Landesregierung aus SPD und PDS war noch nicht mal drei Monate im Amt, als am 9. April 2002 die größte einzelne Finanzentscheidung anstand, die das Abgeordnetenhaus je fällen musste. Sollte man den riesigen Milliardenbetrag, damals ungefähr so viel wie ein gesamter Jahreshaushalt des Landes, beschließen, wie es die Bankenaufsicht forderte, weil sonst die sofortige Pleite der Bankgesellschaft mit bis zu 20 Milliarden Verlust drohte? Oder dagegen stimmen, wie es SPD-Linke und Globalisierungsgegner von Attac forderten?
Das Geld sollte dazu dienen, Ansprüche aus Immobilienfonds zu befriedigen, die Gewinne oft selbst dann garantierten, wenn es gar nichts zu verteilen gab. SPD und PDS stimmten schließlich mehrheitlich für das Rettungspaket, Grüne und FDP dagegen, die CDU – 2001 mit dem Zusammenbruch der Bankgesellschaft aus der Regierung geflogen – enthielt sich. Bis 2032, hieß es damals, sollte die Risikoabschirmung aufgespannt bleiben.
Saleh organisierte den Widerstand
Es wird als Größenwahn interpretiert, was in der Landespolitik zur Bildung der landeseigenen Bankgesellschaft führt. "Man wollte mit den großen Elefanten spazieren gehen", nennt es Finanzsenator Kollatz. Landesbank, Immobilienbank, Berliner Bank, Sparkasse, alle kamen unter das Dach der Gesellschaft, die sich als echter Player unter Großbanken verstand. Wichtigstes Bindeglied zur Politik war der damalige CDU-Fraktionschef Rüdiger Landowsky, der parallel nicht nur die CDU-Fraktion führte, sondern auch die Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank AG, kurz BerlinHyp. (sta)
Dass man diesen Schirm nun schon 2020 und damit zwölf Jahre früher zusammen klappen kann, liegt für Regierungschef Müller und Senator Kollatz an der guten Entwicklung der landeseigenen Berlinovo. So heißt seit 2012 die vormalige Berliner Immobilienholding BIH, in der wiederum seit 2006 als „Bad Bank“ unattraktive, verlustreiche Immobilien aus dem Nachlass der untergegangenen Bankgesellschaft zusammen gefasst waren. Aktuell ist die Berlinovo neben der Verwaltung ihres Alt-Besitzes damit beschäftigt, Studenten- und Flüchtlingswohnungen zu bauen.
Dass die BIH mal einen solchen Weg nehmen könnte, mochte man lange nicht glauben: 2011 wollte der damalige Finanzsenator Ulrich Nußbaum im Einvernehmen mit Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) samt dem damaligen Fraktionschef Müller und Linkspartei das komplette Unternehmen für vergleichsweise wenig Geld verkaufen. Damit wollte man, wenn auch mit Verlust, die Risiken auf einen Schlag los zu werden. Dass es nicht dazu kam, lag hauptsächlich an Raed Saleh. Der heutige Fraktionschef, damals noch einfacher Abgeordneter, organisierte unter den SPD-Abgeordneten den Widerstand gegen den Verkauf. Fortan sollten Immobilien außerhalb Berlins stückweise verkauft, Wohnungen in Berlin aber behalten werden.
Daran erinnerte sich auf taz-Nachfrage am Dienstag auch Regierungschef Müller, der sich selbst als „Zeitzeuge“ der geschilderten Entwicklung bezeichnete. Es sei im Nachhinein richtig gewesen, die BIH zu behalten, aus der ein Jahr später die Berlinovo wurde, räumte Müller ein – „aber das war kein Selbstläufer, sondern Folge intensiver Arbeit.“
Von der 21,6-Milliarden-Absicherung wurden laut Finanzsenator Kollatz zwar rund sieben Milliarden ausgezahlt. Dem gegenüber würden aber bis jetzt Einnahmen von 5,5 Milliarden durch Immobilienverkäufe stehen. Bis 2020 hofft Kollatz im besten Fall auf so viele weitere Verkäufe, dass das Land am Ende nicht nur ohne Verluste durch die Bankgesellschaft da steht, sondern noch rund 190 Millionen Gewinn macht. Kollatz gestand allerdings ein, dass diese Betrachtung nicht einbezieht, dass Berlin nun weder eine Landesbank noch eine landeseigene Sparkasse mehr hat.
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