Balkankonferenz der Europäischen Union: Europa muss seine Krallen zeigen
Die EU hat 3,3 Milliarden für die Haushalte der Westbalkan-Länder lockergemacht. Eine echte Beitrittsperspektive kann das nicht ersetzen.
E s bedurfte schon der Offerten Chinas und Russlands gegenüber den Ländern des Westbalkan, um die EU totz der Corona-Krise zum Handeln zu zwingen. Endlich. Denn in der öffentlichen Meinung mancher dieser Länder, vor allem in Serbien, wurde der Eindruck erweckt, das Europa der EU kümmere sich einen Dreck um den auch zu Europa gehörenden Westbalkan, während Chinesen und Russen Solidarität übten.
Die Show-Aktionen der beiden Länder bei der Lieferung von Schutzmasken wurden gut verkauft und damit antieuropäische Ressentiments geschürt. Dass jetzt die EU mit ihrer 3,3 Milliarden-Offerte vor allem auf Betreiben Deutschlands die Notbremse gezogen hat, setzt immerhin ein Zeichen. Die EU will den Westbalkan nicht aufgeben, lautet die Message. 400 Millionen Euro sollen zeitnah dem maroden Gesundheitssystem dieser Länder zugute kommen.
Doch es geht um weit mehr. Wenn den Ländern des Westbalkan eine echte Perspektive für die EU-Integration aufgezeigt werden soll, dann müssen mehr als vage Versprechungen gegeben werden. Zwar wurde nach einem Jahr Verzögerung endlich die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen für Nordmazedonien und Albanien in Aussicht gestellt, aber die Hürden dafür wurden noch einmal hochgeschraubt. Was passiert aber mit Bosnien und Kosovo, mit Ländern also, in denen die EU sogar institutionell und politisch stark vertreten ist?
Wenn der EU-Repräsentant in Bosnien mit rechtsradikalen Nationalisten flirtet und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell jetzt sogar für den Gebietsaustausch zwischen Kosovo und Serbien zu votieren scheint, wird die EU-Politik völlig unglaubwürdig. Wenn die EU wirklich ernsthaft die Region integrieren will, dann muss sie sich auch klipp und klar gegen jene Kräfte in der Region wenden, die zwar für einen „europäischen Weg“ sprechen, in Wirklichkeit aber alles dafür tun, Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und Demokratie zu verhindern. Europa muss gegenüber diesen korrupten nationalistischen Kräften auch Krallen zeigen, nicht nur Geld geben, das dann in dunklen Kanälen verschwindet. Doch davon sind wir leider weit entfernt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien