Bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland: Biobauern reden von Verrat
Bioland öffnet sich zu sehr der Agrarindustrie. Das behauptet zumindest die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland.
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Die Agrofarm gehört mehrheitlich Deutschlands größtem Biofachhändler, dennree, der auch die Supermarktkette denn’s betreibt. Grolm, selbst Bioland-Imker, ist einer der einflussreichsten Aktivisten in der alternativen Agrarszene.
Bioland wirbt damit, dass seine Mitglieder Bauern und nicht agrarindustrielle Unternehmen seien. Agrarindustrie ist eine Form der Landwirtschaft, die Eigenschaften der klassischen Industrie übernommen hat. Dazu zählen auch sehr große Betriebe.
„Bei solchen großen Konstrukten wie der Firma in Sachsen ist die Verantwortung für den Boden und die nächste Generation nicht gegeben. Wenn dann die nächsten das irgendwann erben oder aufkaufen, könnten auf einen Schlag 4.000 Hektar wieder auf konventionell umgestellt werden“, warnt Grolm.
Geringere Artenvielfalt
Für ihn ist auch klar, dass der dennree-Betrieb wegen seiner Größenvorteile letztlich Biolandprodukte billiger produzieren kann. „Das führt bei den anderen, bäuerlichen Betrieben dazu, dass sie rationalisieren müssen – oder dass sie aufgeben“, sagt Grolm. Diese Kostenvorteile würden noch dadurch verstärkt, dass Bioland die Mitgliedsbeiträge gedeckelt hat: „Auch ein 4.000-Hektar-Betrieb zahlt maximal 8.900 Euro Beitrag, während ein 50-Hektar Familienbetrieb zum Beispiel 1.000 Euro berappen muss.“
Der AbL-Landesvorsitzende kritisiert zudem, dass der Großbetrieb Felder von 50 oder mehr Hektar habe. Dadurch gebe es weniger Hecken oder Bäume pro Hektar, die die Bodenerosion reduzieren. Die Artenvielfalt sei geringer. Außerdem böten Großbetriebe pro Hektar weniger Arbeitsplätze.
Einen wirklich bäuerlichen Verband gründen
Auch Regionalität kommt für Grolm bei Bioland mittlerweile zu kurz. Er findet es skandalös, dass manche Bioland-Bauern mit dem Segen der Verbandsspitze Futtermittel aus Osteuropa kaufen – obwohl der Satzung zufolge nur Bauern in Deutschland und Südtirol Mitglied werden dürfen. „Bioland schreibt sich Regionalität auf die Fahnen, und dann wird in Rumänien Futter in Großkolchosen produziert, wo die Arbeiter extrem wenig verdienen“, schimpft er. Das halte heimische Bauern davon ab, etwa mehr Soja anzubauen.
Er fordert, dass Bioland seine Richtlinien so ändert, dass industrielle Betriebe nicht Mitglied werden können. Etwa durch Obergrenzen für die Zahl der Tiere. Oder die Einschränkung der Feldgrößen auf höchstens 20 Hektar. Andere Bioverbände wie Naturland achteten im Übrigen noch weniger auf Bäuerlichkeit. „Deshalb sollten wir auch mal darüber diskutieren, ob wir nicht einen wirklich bäuerlichen Bioanbauverband gründen wollen.“
Bei der Beitragshöhe kommt Plagge entgegen
Bioland-Präsident Jan Plagge sagte der taz, über die Aufnahme der Agrofarm sei durch die Bundesdelegiertenversammlung von Bioland demokratisch entschieden worden. Größere Betriebe böten auch Vorteile für umliegende kleinere Höfe. „Die Agrofarm hat beispielsweise einen hohen Futterbedarf und ist so auch potenzieller Abnehmer für kleinere Futtermengen von regionalen Betrieben, die sich sonst schwer vermarkten lassen würden.“ Der Großbetrieb plane für die Umstellung auf Bio Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe. „Eine Rückumstellung ist daher abwegig.“
Zudem habe immer das Futter von Betrieben des Verbands Vorrang. „Wenn es nicht ausreichend verfügbar ist, wie beim Soja, beziehen die Bioland-Futtermittelhersteller Rohware auch von Betrieben im Ausland, die nach unseren Vorgaben kontrolliert werden. Wir haben es mit diesem System in den letzten fünf Jahren geschafft, unseren heimischen Sojaanteil von 0 auf über 30 Prozent zu steigern. Und er wird weiter zunehmen.“
Bei der Beitragshöhe kommt Plagge Grolm allerdings entgegen. „Die Deckelung ist aktuell in der Diskussion, eben auch durch den Fall.“ Bei der nächsten Bundesdelegiertenversammlung solle ein Änderungsantrag vorliegen. Auch eine Begrenzung der Schlaggröße sei ein „diskussionswürdiger Vorschlag“.
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