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Babynahrung in EntwicklungsländernNestlé gibt armen Babys Zucker

In Entwicklungsstaaten mischt Nestlé Säuglingsnahrung oft Zucker bei. Das schade der Gesundheit, so Experten. In Deutschland passiert das nicht.

Cerelac-Babybrei von Nestlé Foto: Carlos Manuel Martins/GlobalImagens/imago

Berlin taz | Der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé setzt mehreren Babynahrungsprodukten in Entwicklungsländern Zucker zu – anders als etwa in Deutschland. Das zeigt eine Untersuchung der konzernkritischen Organisation Public Eye. Sie wirft dem Schweizer Unternehmen Doppelmoral vor, die „zur weltweit wachsenden Fettleibigkeit beiträgt und bereits Kleinkinder auf den Geschmack zuckerhaltiger Produkte bringt“. Nestlé widersprach den Laborergebnissen auf Anfrage nicht. Der Konzern ist Weltmarktführer bei Kleinkindnahrung.

37 Millionen Kinder unter 5 Jahren waren nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO 2022 übergewichtig. Die meisten leben in Schwellenländern.

„Der Weizenbrei für sechs Monate alte Babys der Marke Cerelac, den Nestlé in Deutschland und Großbritannien verkauft, enthält keinen Zuckerzusatz, während das gleiche Produkt pro Portion in Südafrika 4 Gramm enthält, in Äthiopien mehr als 5 Gramm und in Thailand 6 Gramm“, teilte Public Eye mit, das nach eigenen Angaben rund 150 Nestlé-Produkte aus Ländern mit niedrigen und mittleren Pro-Kopf-Einkommen in einem belgischen Labor hatte untersuchen lassen. Die wichtigsten Getreidebreie und Folgemilchprodukte für Babys und Kleinkinder des Konzerns in der Schweiz seien frei von Zuckerzusatz. Den meisten entsprechenden Produkten in Staaten mit niedrigeren Einkommen dagegen werde Zucker oft in hohen Mengen zugesetzt. Ähnlich sei der Trend bei der Milchpulvermarke Nido.

„Hohes Suchtpotenzial“

„Nahrungsmitteln für Babys und Kleinkinder sollte kein Zucker zugesetzt werden, da er unnötig ist und ein hohes Suchtpotenzial hat“, zitierte Public Eye ­Rodrigo Vianna, Epidemiologe an der Universität des brasilianischen Bundesstaats Paraíba. „Kinder gewöhnen sich an den süßen Geschmack.“ Das erhöhe das Risiko, als Erwachsener unter ernährungsbedingten Störungen wie Fettleibigkeit und anderen chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck zu leiden, so der Experte.

Nestlé antwortete auf die Vorwürfe, dass alle seine Produkte „den lokalen Vorschriften oder internationalen Standards“ entsprächen. „In den letzten Jahren haben wir die Gesamtmenge an zugesetztem Zucker in unseren Getreideprodukten für Säuglinge weltweit um 11 Prozent reduziert“, schrieb die Firma der taz.

Der Konzern war schon in den 1970er Jahren in der Kritik, weil er in Entwicklungsländern mit aggressiven Methoden für Babymilchpulver warb. Viele Mütter verzichteten aufs Stillen. Das brachte Babys in Gefahr, da oft kein sauberes Wasser zur Verfügung stand, um das Pulver anzurühren.

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4 Kommentare

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  • In Fachkreisen nennt man das "Anfixen".

  • "Nestlé tötet Babys" war in den 70ern ein oft gehörter Slogan.

  • Als Vater habe immer Nestlé Produkte vermieden. Ich weiss, dass ich als Vater Fehler begangen habe, aber in diesem konkreten Punkt weiss ich: tolle Leistung!

  • Für mich ist es keine Neuigkeit, dass die Babymilchpulverprodukte in Südamerika mit hohem Zuckeranteil verkauft werden. Wir waren als Familie Anfang der 2000er für längere Zeit in den Anden und brauchten das Zeug. Alternativen haben wir nicht gefunden. Es war ein einziges Ärgernis. Um so schrecklicher ist, dass man den Skandal eigentlich monatlich in die Schlagzeilen bringen müsste. Denn neben der Suchtproblematik werden bei Babys schon die Milchzähne massiv geschädigt und entwickeln Karies.