BSW verpasst Einzug in den Bundestag: Wagenknecht will weitermachen
Die Parteigründerin sieht ihr BSW noch nicht am Ende. An dem knappen Wahlergebnis gibt sie den Medien die Schuld – und will es eventuell anfechten.

„Wer nicht im Bundestag ist, ist in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr“, hatte Wagenknecht damals wörtlich gesagt. Am Tag nach einer dramatischen Wahlnacht will sie davon nichts mehr wissen. Das BSW verpasste knapp den Einzug in den Bundestag. Die Gremien ihrer Partei würden nun „beraten, wie wir weitermachen“, so Wagenknecht. Hinschmeißen wolle sie nicht. „Die Schlagzeile wollen sie gerne haben, die werde ich aber nicht liefern.“
Wagenknecht wirkt angestrengt, als sie am Montagmorgen mit ihrer Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali in Berlin vor die Hauptstadtpresse tritt. Sie hat aber auch einen echten Wahlkrimi hinter sich. Hauchdünn ist ihr Bündnis Sahra Wagenknecht an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Erst um zwei Uhr nachts stand fest, dass ihr 0,03 Prozent fehlten, gerade mal 13.400 Stimmen. Die Bundeswahlleitung bezifferte das amtliche Endergebnis für die Partei auf 4,97 Prozent.
Das habe deutlich über den Prognosen der Tage zuvor gelegen, betont Wagenknecht. Es sei „ein gutes Ergebnis“, wenngleich mit einem „bitteren Nachgeschmack“. Insgesamt hätten sogar mehr Menschen das BSW gewählt als bei der Europawahl im vergangenen Juni, wo die Partei aus dem Stand auf 6,2 Prozent gekommen war, betont sie. Damals lag die Wahlbeteiligung mit rund 51 Prozent deutlich niedriger als bei dieser Bundestagswahl, wo sie fast 83 Prozent erreichte.
Klage wohl aussichtslos
Die BSW-Vorsitzenden Wagenknecht und Amira Mohamed Ali kündigten an, das Wahlergebnis rechtlich prüfen zu lassen. Der Grund: Viele im Ausland lebende Deutsche konnten nicht abstimmen. Sie hatten ihre Briefwahlunterlagen aufgrund der kurzen Fristen zu spät erhalten. Die Juristin Sophie Schönberger hält eine Klage für aussichtslos, wie sie der Zeit sagte. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Briefwahl, so die Co-Direktorin des Universitätsinstituts für Parteienrecht in Düsseldorf.
Mohamed Ali verwies außerdem darauf, dass das BSW in einigen Wahllokalen, etwa in Aachen, möglicherweise mit der Partei „Bündnis Deutschland“ verwechselt worden sei. Auch das wolle man jetzt „juristisch überprüfen lassen“.
Wagenknecht wiederholte den schon im Wahlkampf geäußerten Vorwurf, das BSW sei von Medien ausgegrenzt und „niedergeschrieben“ worden. Und sie warf einzelnen Umfrageinstituten vor, potenzielle Wählerinnen und Wähler ihrer Partei bewusst mit zu niedrigen Werten in die Irre geführt zu haben.
Das Forsa-Institut des Demoskopen Manfred Güllner etwa habe das BSW kurz vor der Wahl auf 3 Prozent „gesetzt“: das sei „keine Wahlprognose, sondern eine gezielte Aktion zur Manipulation von Wahlverhalten“ gewesen, zürnte Wagenknecht. Auch eine Strafanzeige will Wagenknecht stellen: Auf der Plattform X soll ein Account falsche Umfragewerte veröffentlicht haben, bei denen das BSW mit nur 3 Prozent angegeben worden sei.
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Das Problem mit dem Regieren
„Dass sich unsere Gegner so viel Mühe gemacht haben, uns niederzukämpfen und aus dem Bundestag zu drängen, ehrt uns. Dass sie vorläufig Erfolg hatten, ist ein Rückschlag“, erklärte die 55-Jährige. Das BSW sei noch nicht am Ende, der Partei seien in kurzer Zeit beispiellose Erfolge gelungen.
Die Regierungsbeteiligung in Thüringen und Brandenburg habe das BSW allerdings vor ein Dilemma gestellt, räumte Wagenknecht ein. Manche Erwartungen seien enttäuscht worden. Ein kostenloses Schulessen, wie in Brandenburg gefordert, scheiterte etwa wegen knapper Kassen.
Sahra Wagenknecht vor der Wahl
Weitere Gründe für die Schwierigkeiten bei der Bundestagswahl sei ein Mangel an Geld und Personal. Auch sei es von Nachteil gewesen, dass sich der Wahlkampf so stark um das Thema Migration gedreht habe. Weniger Migration zu fordern, sei „kein Alleinstellungsmerkmal“ des BSW. Die Zustimmung zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union, das mit den Stimmen von AfD, FDP und BSW fast eine Mehrheit bekommen hätte, wollte sie auch im Nachhinein nicht als Fehler sehen. Da sei man seiner Haltung treu geblieben, so Wagenknecht.
Wagenknecht bedauerte, dass sich einige Unterstützer zurückgewiesen gefühlt hätten. Die Partei hat bisher nur 1.200 Mitglieder aufgenommen, und das nach teils undurchsichtigen Aufnahmekriterien. Das sei anders nicht möglich gewesen, verteidigte sie sich und versprach: „Wir werden das in Zukunft auf jeden Fall anders machen.“ Dann lobte sie wieder „das beste Ergebnis, das eine neue Partei jemals bei einer Bundestagswahl erzielt hat“.
Das BSW habe in relevanter Zahl Menschen angesprochen, die nicht mehr gewählt oder sonst die AfD gewählt hätten und die sich von linken Parteien nicht mehr vertreten fühlten. Ihre Co-Chefin Mohamed Ali leitete daraus den „Auftrag“ ab, die Partei spätestens 2029 wieder in den Bundestag zu führen. Auf einen Rückzug von der Parteispitze wollte sie sich am Tag nach der Wahl nicht festlegen. Dies werde in den Gremien beraten, sagte Wagenknecht in Berlin. Wenn es ein Ergebnis gebe, werde man dies mitteilen.
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