BND hörte Türkei ab: Der Blick für den Elefanten
Der NSA-Ausschuss soll das Ausmaß von US-Spähangriffen in Deutschland klären. Jetzt stellen Politiker auch Fragen zur Rolle des Auslandsgeheimdienstes BND.
BERLIN taz | Christian Flisek will es wissen. Gleich nach der Sommerpause will der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss die Verantwortlichen sprechen. „Am 11. September“, sagt Flisek der taz, „werden wir Herrn Fritsche, Herrn Schindler und Herrn Maaßen als Zeugen in den Untersuchungsausschuss bitten.“ Christian Ströbele, Fliseks Ausschusskollege von den Grünen, ergänzt: „Wir wollen jetzt wissen, was hat der BND gemacht? Inwieweit war er auch von den NSA-Machenschaften informiert, möglicherweise gar verwickelt?“
Der Termin dürfte unangenehm werden für Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, BND-Chef Gerhard Schindler und Hans-Georg Maaßen, den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Am Wochenende ist bekannt geworden, dass der BND Telefonate von US-Außenminister John Kerry sowie dessen Vorgängerin Hillary Clinton mitgeschnitten haben soll. Zudem soll der mutmaßliche BND-Spion Markus R. der CIA das Auftragsprofil der Bundesregierung für den deutschen Geheimdienst übergeben haben. Es legt fest, dass die Türkei von deutscher Seite ausgespäht wird.
Wiewohl CDU-Ausschussmitglied Patrick Sensburg den Vorwurf deutscher Spionage gegen Verbündete umgehend zurückgewiesen hat, sehen andere Mitglieder Aufklärungsbedarf. Grünen-Obmann Konstantin von Notz erklärt gegenüber der taz, er teile angesichts der aktuellen Vorgänge umso mehr „Frau Merkels Haltung: ’Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht‘.“ Natürlich werde nun die Praxis der deutschen Geheimdienste Gegenstand des Ausschusses sein. „Wir haben schon länger die Vermutung, dass es zwischen befreundeten Geheimdiensten eine Art Ringtauschsystem an Informationen gibt. Diese Geschichte, die jetzt die Öffentlichkeit en passant erfährt, legt das erneut nahe.“
Martina Renner, Obfrau der Linke-Fraktion, sagt: „Jetzt wird deutlich: Nicht nur die NSA spitzelt, sondern auch wir.“ Es sei Zeit, die „privilegierte Partnerschaft“ mit den USA zu hinterfragen. Die bisherige Argumentation der Bundesregierung, „das Verhältnis zu den USA sei in der Frage der Snowden-Vernehmung wichtiger als die Aufklärung der Massenüberwachung“, sei hinfällig. Ströbele ergänzt, die Hauptfrage sei jetzt, wann Regierung und Kanzlerin was wussten. „Wenn sie nichts davon wussten, fragt man sich, wie das sein kann, wo doch das Bundeskanzleramt die direkte Aufsicht über den BND hat.“
Der Hauptfokus des Ausschusses, sagt SPD-Mann Flisek der taz, sei: „Wie sieht die Zusammenarbeit unserer Dienste aus?“ Die aktuellen Vorgänge will er nicht ganz so hoch bewerten. Klassische Spionagetätigkeit sei nun mal, „dass jeder gegen jeden spioniert“. Dem Ausschuss gehe es um globale Massenüberwachung. „Wenn man jede Maus skandalisiert, kann es passieren, dass einem der Blick für den Elefanten abhandenkommt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden