BGH-Entscheid zur Störerhaftung: Freies WLAN entspricht EU-Recht
Karlsruhe sieht die Abschaffung der Störerhaftung als legitim. Rechteinhaber seien durch Webseitensperrungen ausreichend geschützt.
Im konkreten Fall hatte Daniel S., ein technikaffiner Mann aus Krefeld, in seiner Privatwohnung fünf offene WLAN-Zugänge und zwei drahtgebundene Schnittstellen des Tor-Netzwerks, einem verschlüsselten Dienst, unterhalten. Über dieses ungeschützte WLAN bot ein Unbekannter auf einer Tauschbörse das Computerspiel „Dead Island“ an, bei dem Zombies eine Ferieninsel terrorisieren. Der Rechte-Inhaber des Spiels verlangte von Daniel S. Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten.
Beim Landgericht Düsseldorf und auch beim dortigen Oberlandesgericht hatte die Spielefirma Erfolg. Die Verurteilung von Daniel S. stützte sich noch auf die damals geltende Störerhaftung. Danach haftete S., weil er sein WLAN nicht ausreichend – zum Beispiel durch ein Passwort – gegen Missbrauch schützte. Gegen die Verurteilung ging S. in Revision.
Beim BGH hatte Daniel S. nun aber Erfolg, weil der Bundestag 2017 das Telemediengesetz (TMG) geändert hatte, um das Anbieten offener WLAN-Verbindungen attraktiver zu machen. Nun soll es möglich sein, etwa in Cafés, auf Bahnhöfen und in Behörden freies WLAN anzubieten, ohne sich Sorgen um mögliche Abmahnungen und Gerichtsprozesse machen zu müssen. Der WLAN-Betreiber sollte nicht mehr für Urheberrechtsverletzungen von Nutzern haften. Sogar Unterlassungsansprüche der Rechteinhaber sollten ausgeschlossen sein. Damit war die klassische Störerhaftung für WLAN-Betreiber faktisch abgeschafft.
Nur noch die Abmahnkosten werden fällig
Daniel S. muss nun zwar noch die Abmahnkosten bezahlen, für die noch die alte Rechtslage gilt, der Unterlassunsanspruch gegen ihn wurde jedoch abgelehnt. „Da es hier um ein Handeln in der Zukunft geht, ist die neue Rechtslage zugrundezulegen“, erläuterte der Vorsitzende Richter Thomas Koch.
Im Verfahren vor dem BGH ging es vor allem um die Frage, ob Deutschland mit der Abschaffung der Störerhaftung gegen EU-Recht verstieß. Die Spielefirma hatte geltend gemacht, sie werde faktisch rechtlos gestellt, wenn WLAN-Betreiber keinen Anreiz mehr haben, Urheberrechtsverletzungen durch Benutzer zu verhindern.
Thomas Koch, BGH-Richter
Der BGH verwies nun aber darauf, dass der Unterlassungsanspruch nicht ersatzlos gestrichen worden war, sondern durch einen Sperr-Anspruch im Telemediengesetz ersetzt wurde. Der Rechteinhaber kann zwar nicht mehr verhindern, dass ein WLAN ungeschützt betrieben wird, er kann im Falle von nachgewiesenen Urheberrechtsverletzungen jetzt aber verlangen, dass zum Beispiel Seiten von Tauschbörsen im Router des WLAN gesperrt werden.
Um Filesharing über Peer-to-Peer-Netzwerke zu verhindern, könnten auch entsprechende Ports gesperrt werden, so Richter Koch. Dies gelte auch für drahtgebundene Tor-Schnittstellen. Falls das alles nicht genügt, so Koch, könne ein WLAN-Betreiber auch gerichtlich verpflichtet werden, die Nutzer des WLAN zu registrieren, ein Passwort einzurichten oder das WLAN ganz zu schließen. Die Musik-, Film- und Spielefirmen seien durch die neue Rechtslage also keineswegs völlig rechtlos gestellt.
Koch betonte zugleich: „Auch die Grundrechte der WLAN-Nutzer auf Informationsfreiheit sind zu beachten. Das geistige Eigentum muss sich nicht immer durchsetzen“, vor allem wenn es bisher nur geringfügige Urheberrechtsverletzungen gab. Ob im Fall Daniel S. Sperren „zumutbar“ sind, konnte in der Revision beim BGH nicht entschieden werden. Der Fall wurde deshalb an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Dort kann die Spielefirma unter Beachtung der neuen Rechtslage dann einen neuen Antrag stellen. Gut möglich, dass der Fall bald wieder beim BGH landet, um die Zumutbarkeit von Webseitensperren zu klären.
(Az.: I ZR 64/17)
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