Autorin über Konflikte um Böden: „Wir gefährden die Grundlage unseres Lebens“
Konflikte um das Eigentum an Grund und Boden spitzen sich nicht nur aufgrund des Wohnraummangels zu, sagt Christiane Grefe. Doch es gibt Lösungsansätze.
taz: Frau Grefe, was ist heute neu am Konflikt um das Eigentum an Grund und Boden?
Christiane Grefe: Es ist ein Kontinuum. Schon Mark Twain hat gesagt: „Kaufen Sie Land, es wird keines mehrgemacht!“ Aber das Problem spitzt sich im Augenblick auf eine neue Weise zu, weil wir so viele politische Aufgaben haben, die alle bodenbezogen auf die Fläche drängen.
taz: An welche Aufgaben denken Sie?
Grefe: Da ist die Landwirtschaft, die sich verändern muss, damit wir nicht weiter Böden, Gewässer, Artenvielfalt und Klima gefährden. Da ist die Verkehrswende, da ist die Energiewende, bei der mit Flächenbedarf Sonne und Wind genutzt werden sollen. Da ist die Wohnungsnot – dafür brauchen wir Bauflächen. Die Wirtschaft soll wachsen, sie fordert neue Gewerbegebiete. Dazu kommt der Naturschutz, denn es gibt ja ein internationales Abkommen, dem zufolge 30 Prozent der Flächen geschützt werden sollen. Und wir brauchen Schwammstädte, damit der Klimawandel nicht alles aufheizt und vertrocknen lässt.
geboren 1957, besuchte die Deutsche Journalistenschule und studierte dort Politikwissenschaft. Sie arbeitete als Reporterin und Redakteurin. Heute ist sie freie Autorin. Zusammen mit Tanja Busse schrieb sie das Sachbuch „Der Grund. Die neuen Konflikte um unsere Böden – und wie sie gelöst werden können“, Kunstmann, 240 S., 24 Euro, E-Book 19,99 Euro.
taz: Was sind denn Schwammstädte?
Grefe: Das sind Städte, in denen Flächen mehr entsiegelt als versiegelt werden, damit Wasser wieder versickern kann. Städte, in denen durch neu gepflanzte Straßenbäume, mehr Parks oder Urban Gardening möglichst viele Grünflächen entstehen. Dadurch werden sie gekühlt, wenn die Temperaturen durch den Klimawandelsteigen. Schwammstädte schützen zugleich vor Überschwemmungen.
taz: Aber ist die Kernfrage nicht, ob diejenigen, die über Böden und Flächen verfügen, diesen Wandel mitmachen?
Christiane Grefe, Autorin
Grefe: Eigentum geht immer mit Verantwortung einher, und je konzentrierter der Besitz an Land und Flächen in Stadt und Land, desto mehr konzentrieren sich auch Macht und Einfluss. Wir haben zwar in unserer Verfassung den schönen Satz „Eigentum verpflichtet“ – aber die Frage ist: wozu denn? Wer entscheidet darüber? Es geht darum, wie sinnvoll wir als Gesellschaft bei den Zielkonflikten die Prioritäten setzen. Darüber brauchen wir eine Debatte.
taz: Wo sind die Verhältnisse besonders prekär?
Grefe: In den Städten steigen die Mieten auch deshalb, weil Grund und Boden teurer werden. Das ist sozialer Sprengstoff. Auf dem Land sind unsere Böden oft übernutzt, ausgelaugt, vergiftet und verdichtet. Wir brauchen eine größere Aufmerksamkeit für ihre Wiederbelebung.
taz: Ist das nicht ein ziemlich utopisches Ziel?
Grefe: Nein, denn es gibt ja Lösungsansätze. Beispielsweise spricht man inzwischen von einer regenerativen Landwirtschaft, von einem anderen Anbau mit einer Vielzahl von Pflanzen, größerer Biodiversität, gesünderen Lebensmitteln und auch mehr Klimaschutz, weil Kohlenstoff gebunden und Humus aufgebaut wird. Das sind positive und durchaus konkrete Perspektiven.
Vortrag „Der Grund – Die neuen Konflikte um Böden, Flächen, Eigentum“: Di, 25.11., 19.30 Uhr, Die Gemeinnützige, Lübeck
taz: Machen Sie da mit Ihrem Vortrag nicht sehr viele Fässer auf?
Grefe: Das bleibt nicht aus, wenn man Zusammenhänge betrachtet. Meine Koautorin Tanja Busse und ich haben unser Buch nicht ohne Grund „Der Grund“ genannt. Indem wir Grund und Boden übernutzen, alle immer für sich denken und nicht im Kontext, gefährden wir nicht weniger als die Grundlage unseres Lebens.
taz: Wie gelingt es Ihnen denn, mit Zuversicht von dem zu erzählen, das Sie selber „Gewusel der Ziele und Interessen“ genannt haben?
Grefe: Tatsächlich fühlen sich viele Menschen überfordert, und sie sagen: „Ich kann doch nicht alles auf einmal machen.“ Aber es reicht ja, wenn sich jeder an seinem Ort für das Thema engagiert, bei dem er sich auskennt oder eine Leidenschaft hat – wenn er die anderen Probleme mitdenkt. Sich mit anderen darüber auszutauschen, kann zu besseren Lösungen führen.
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