Autorin über Jobs für Geflüchtete: „Viele Berufe sind nicht bekannt“
Viktoria Doll hat einen Bewerbungsratgeber für Geflüchtete geschrieben. Sie erzählt, warum angehende Friedhofsgärtner und Köche gute Chancen haben.
taz: Frau Doll, Bewerbungsratgeber gibt es auf dem Markt etwa so viele wie für gesunde Ernährung oder schöne Beziehungen. Warum haben Sie noch einen Ratgeber geschrieben?
Viktoria Doll: Mein Bewerbungsratgeber richtet sich speziell an Geflüchtete und Migranten. Das ist eine ganz andere Zielgruppe, die spezielle Bedürfnisse hat.
Was hat Sie auf die Idee gebracht, dass Geflüchtete so etwas brauchen?
Ich bin selbst schon lange in der Flüchtlingsarbeit tätig und arbeite als Coach im Bewerbungszentrum München. Immer wieder kommen Geflüchtete zu mir, die Bewerbungen schreiben möchten, die mit den üblichen Ratgebern aber nichts anfangen können. Diese sind sprachlich zu anspruchsvoll, sie richten sich an junge Hochschulabsolventen, an deutschsprachige Schulabgänger, die nach der 10. Klasse eine Ausbildung machen wollen, und so weiter. Andere wiederum sprechen Migranten an, die sich aus dem Ausland in Deutschland bewerben wollen, auch das ist eine ganz andere Zielgruppe.
Und die Zielgruppe der Geflüchteten hat sich an Sie gewendet?
Ja, aber nicht nur die. Ich habe ständig von allen Seiten gehört, dass es in dieser Richtung nichts Gescheites gibt. Mir haben sowohl Ehrenamtliche als auch Mitarbeitende vom Jobcenter immer wieder gesagt, dass sie gerne Vorlagen hätten, an denen sie sich bei der Beratung von Geflüchteten orientieren können. Deshalb richtet sich der Ratgeber ja auch schon im Titel nicht nur an Migranten und Flüchtlinge, sondern auch an die Helfenden.
ist Lehrerin, Trainerin, Coach und Autorin. Ihr Ratgeber "So finde ich Arbeit in Deutschland" ist im Stark-Verlag erschienen und kostet 14,95 Euro.
Eine Nische, obwohl das Thema doch seit Jahren den Diskurs bestimmt?
Ja, genau, eine Nische, die trotzdem noch immer nicht besetzt war. Natürlich wird das Thema Bewerben in den Integrationskursen behandelt, aber das genügt nicht. Der Stark-Verlag sah das genauso, und so haben wir dieses Buch in Angriff genommen.
Was beinhaltet Ihr Buch nun genau?
Das Buch beinhaltet Vorlagen für mehr als 20 Berufe. Die Formulierungen darin lassen sich sicherlich nicht immer eins zu eins übernehmen, sind aber doch ein Grundstock, um individuell darauf aufzubauen. Interessierte finden Tipps fürs Bewerbungsfoto, Formulierungshilfen, verständliche Vorgaben, wie ein Lebenslauf auszusehen hat.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Berufe ausgewählt?
Es sind Berufe, die für meine Zielgruppe geeignet sind, die also auch ohne Schulabschlüsse und ohne Erfahrung infrage kommen.
Was sind das für Berufe? Welche sind bei Geflüchteten beliebt?
Das sind tendenziell alle Berufe, die sich im Lager- oder auch im ganzen Sicherheitskomplex abspielen. Interessant ist aber natürlich auch der Pflegebereich. In dem Buch gibt es einen Block über Ausbildungen, weil viele das Konzept so in dieser Form wie bei uns nicht kennen. Genauso wie eine Vielzahl von Berufen, die entweder nicht bekannt sind oder auf die sie schlicht nicht kommen.
Zum Beispiel?
Der des Kochs. Da bleiben zahlreiche Stellen offen, die Chancen stehen auch ohne Zeugnisse wirklich gut. Oder auch der des Friedhofsgärtners – den kennen viele überhaupt nicht.
Welche anderen Gedanken haben Sie sich vorab gemacht?
Die sicherlich drängendste und schwierigste Frage war, wie wir es sprachlich lösen. Veröffentlichen wir den Ratgeber nur auf Arabisch, nur auf Türkisch, Persisch oder Englisch? Egal, wofür man sich entscheidet, es fasst nie alle ein. Also haben wir uns entschieden, es einfach auf Deutsch zu veröffentlichen und nach jedem Kapitel Zusammenfassungen auf Englisch beizustellen. Die Bewerbung muss ja schließlich ohnehin auf Deutsch verfasst werden. Außerdem richtet sich der Ratgeber ja auch an die Helfenden.
Was sind Ihrer Erfahrung nach Probleme, die bei Geflüchteten während ihrer Berufssuche häufig auftreten?
Sicherlich die Sprachbarriere und dass so viele Zeugnisse bei uns nicht anerkannt werden. Dann kommen natürlich nur Berufe infrage, auf die sich auch Bewerber ohne Zeugnisse bewerben können. Was ich hingegen nicht gedacht hätte, was aber meine Erfahrung ist: Viele haben Probleme, mit einem Computer umzugehen. Mit Smartphones funktioniert es wesentlich besser, aber gerade bei Menschen aus Ländern mit anderen Schriftzeichen muss die Arbeit an einem PC häufig erst gelernt werden. Drum stehen in meinem Buch auch basale EDV-Tipps zum Bearbeiten von Dokumenten, wie ich etwa ein Foto einfüge, eine Adresse austausche, eine E-Mail mit einem Anhang versehe.
Welche Unterschiede gibt es ansonsten in den Bewerbungsverfahren hier und anderswo?
Bei den Bewerbungen in Deutschland werden natürlich ganz bestimmte Satzbausteine vorausgesetzt, die wir im Regelfall in der Schule lernen, die andere aber nicht kennen. Gleiches gilt für die Anrede oder die Abschiedsformel. So etwas ist kulturell verankert, so etwas verändert sich, das ist schwierig nachzuvollziehen. Viele berichten mir, dass in ihrem Herkunftsland mehr über den persönlichen Kontakt läuft, dass sie etwa durch die Straßen spazieren und einfach fragen, ob es Arbeit gibt. Dieses ganz Formale und Institutionalisierte wie bei uns, das kennen viele nicht aus ihrem Heimatland.
Wie gelangt Ihr Buch nun an die Zielgruppe?
Es gibt Ehrenamtsinitiativen, die einen ganzen Schwung gekauft haben, auch die Münchener Stadtbibliothek hat welche angeschafft. Ich mache meine Klienten im Bewerbungszentrum natürlich auch darauf aufmerksam. Das sind alle, die vom Jobcenter Leistungen beziehen, da das Bewerbungszentrum eine Maßnahme des Jobcenters ist.
Haben Sie schon Resonanz bekommen?
Von dem Ehrenamtlichen und dem Fachpersonal habe ich schon auf verschiedenen Wegen gehört, dass sie froh sind, dass es nun endlich so etwas gibt. Bei meinen direkten Kunden bekomme ich das nicht immer so mit, aber ich wurde jetzt auch schon im Bewerbungszentrum angesprochen, wenn sich jemand das Buch gekauft hat und es ihm oder ihr hilft.
Und auch negative Rückmeldungen?
Nicht zum Buch, nein. Aber ich habe gerade in Bayern in letzter Zeit häufig von Arbeitgebern gehört, dass sie verunsichert sind. Unschlüssig, ob sie Geflüchteten eine Chance geben sollen. Denn selbst wenn diese dann einen festen Arbeitsvertrag haben, ist es vielfach zu Abschiebungen gekommen, das verfolgen natürlich alle in der Presse. Insbesondere die Afghanen haben es nicht leicht, da werden Jugendliche aus der Berufsschule gerissen, und das verunsichert die Arbeitgeber natürlich. Alle erhoffen sich da eine klarere Haltung von der Politik.
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