Autorin Parsua Bashi: Eine mutige Iranerin
Die Zensur im Iran habe nicht dazu geführt, dass man die Meinung nicht mehr sage. Man drücke sie lediglich anders aus, sagt die Buchautorin Parsua Bashi.
Das Leben in Teheran ist anstrengend. Darüber zu schreiben mitunter grotesk. Und Öffentlichkeit herzustellen immer auch ein Wagnis. Dennoch gibt es wohl keine andere Diktatur auf der Welt, die so rigide die politische Opposition verfolgt und gleichzeitig so wenig den gesellschaftlichen Sektor unter Kontrolle bringt. Gottesstaat und Alltagsleben, dies sind im (städtischen) Iran zwei weitgehend voneinander abgekoppelte Sphären. Wie sehr, das kann man Parsua Bashis "Briefe aus Teheran" (Kein & Aber Verlag, Zürich 2010) entnehmen.
"Als Grafikerin musste ich bei der Gestaltung sämtliche Vorgaben der Theaterleute sowie die Vorschriften des Ministeriums berücksichtigen", so Bashi, "weshalb meine Arbeit wie die Theaterstücke selbst am Ende einem kodierten Geheimbuch glichen, dessen kompliziertes Alphabet nur die Zuschauer und wir zu enträtseln vermochten."
Die Zensur hat also nicht dazu geführt, dass man seine Meinung im Iran nicht mehr sagt. Nein, man drückt sie eben anders aus, den Regeln folgend, um sie dabei fortwährend zu unterlaufen. Die Zensur schafft sich also ihre eigene Opposition: "Beim Close-up einer Schauspielerin hellte ich die Augen so auf, dass man nicht feststellen konnte, ob sich ihre Haare oder ihr Kopftuch in der Dunkelheit um ihr Gesicht herum verbargen, Aufnahmen von leuchtenden Augen oder sich drückenden Händen bildete ich so ab, dass das Geschlecht der Betreffenden unklar blieb."
Es gleicht einem universellen Kinderspiel: Was die blöden Eltern nicht verstehen (erkennen), verbieten sie zumeist auch nicht. Und wenn doch, dann geht das Spiel mit Zeichen und Codes wieder von vorne los.
Bashis "Briefe aus Teheran" erzählen von dem täglichen Versteckspiel in einer ruhigen und humorvollen Weise. Genüsslich etwa von den mannigfachen Versuchen in Teheran, Alkoholika selbst herzustellen. Ihr Befund: "Trotz alledem glaube ich, dass in dieser Islamischen Republik, in der Handel und Verbrauch von Alkoholika verboten sind, der Alkoholverbrauch in den Großstädten mindestens ebenso hoch ist wie in vergleichbaren Städten der freien Welt." Die 45-Jährige hat eine Zeit lang in der Schweiz in Zürich gelebt und wird es wissen.
Meist ist es halt so: wo viele Verbote, da viel Opposition. Klandestines Konsumieren von Korinthenschnaps oder Möhrenwein kann unheimlich verbinden. Die Sittenwächter kapieren das nicht. Bis zur Islamischen Revolution vor 31 Jahren tranken nur wenige. Heute besäuft sich halb Teheran und panscht munter vor sich hin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos