piwik no script img

Autonomes Fahren in HannoverDie Buslinie, die es nicht gibt

Ein kleines Gefährt am Stadtrand von Hannover weckt Erinnerungen an Klamaukfilme und wirft die Frage auf, was Busfahrern eigentlich Freude macht.

Wie eine Seilbahnkabine, die auf ein Rollbrett geplumpst ist: NemoH ist Autonomer Foto: Michael Matthey/dpa

I n diesen Tagen soll er starten: Hannovers erster autonom fahrender ­Shuttlebus, auf seiner Teststrecke am Rande der Stadt. Ich kann urlaubsbedingt leider nicht dabei sein. Das ist wirklich schade, ich hätte gern gewusst, wie das aussieht und sich anfühlt. NemoH heißt er, das steht für „Neue Mobilität Hannover“.

Der Kleinbus soll lieb und harmlos ausschauen – bloß keine Technikängste schüren

Ich denke bei dem Stichwort autonomes Fahren ja als allererstes an eigensinnige VW ­Käfer namens Herbie oder Dudu – Klamaukfilme, mit denen ich aufgewachsen bin. Die kleinen Rennautos entwickelten darin (aus Gründen, die nie recht erklärt wurden) einen eigenen Kopf, fuhren da entlang, wo es ihnen passte, ließen ihr verbrauchtes Motoröl auf den Schuhen und Hosen der Filmbösewichte ab.

Ein harmloser Familienspaß, wahrscheinlich sogar von der Sorte, die nicht ganz so übel gealtert ist, wie andere Kino- und TV-Produktionen der Zeit; für die man sich heute schämen muss, wenn man sie aus dummer Nostalgie mit den Kindern nochmal anguckt.

„Knight Rider“, David Hasselhoff mit dem klugscheißerisch daherquatschenden KITT gab es natürlich auch noch, aber der passt hier nicht. Der Kleinbus, den ich in der Nähe des Maschinenbau-Campus in Hannover Garbsen bei seinen ersten Erkundungs- und Messfahrten gesichtet habe, sieht nicht besonders schnittig aus, eher wie eine Seilbahnkabine, die auf ein Rollbrett geplumpst ist.

Der hat sehr viel Glas und sehr viel Rundes, das hat bestimmt psychologische Gründe, der soll lieb und harmlos ausschauen, eben wie ein alter Käfer – bloß keine Technikängste schüren.

Die Linie heißt aus guten Gründen wie eine Fehlermeldung

Als gelernte Altlinke sollte ich jetzt vermutlich als Erstes über den drohenden Jobverlust für Busfahrer herumräsonieren, aber ganz ehrlich: Ich habe das Ding da herumkriechen sehen, das dauert noch Jahre bis es in der Lage sein wird, einer nennenswerten Anzahl von Personen die Arbeit weg zu nehmen.

Diese 1.000 Meter lange Teststrecke ist ohnehin eine Zumutung für jeden, der seinen Fahrerjob liebt: ein Pendelverkehr immer nur von der Straßenbahnhaltestelle zum Maschinenbau-Campus und zurück. Man kommt über eine Kreuzung mit ein paar Hochhäusern, guckt auf ein Industriegebiet, kriecht eine Autobahnbrücke hinauf und erblickt dann den Campus, der ganz genauso trostlos aussieht.

Ich nehme an, auch das ist Absicht, man will ja so Maschinenbaustudenten nicht mit übertriebenen ästhetischen Ansprüchen verwirren, da haben die ja später im Leben auch nichts von. Die Campusgebäude sehen aus wie Fabrikhallen, in denen Akademiker produziert werden.

Fahrerisch ist das völlig reizlos. Nichts, wo man mal aufs Gas latschen kann, nichts, wo sich einmal eine Landschaft oder tolle Perspektive öffnet. Diese Gegend sieht selbst im Sonnenuntergang öde aus. Stattdessen muss man dauernd durch Kreisel kurven.

Auch die Fahrgäste geben nicht viel her: nette, junge Leute – bestimmt. Augenscheinlich auch aus allen möglichen Ländern, aber doch meistens in Fachsimpeleien oder ins Handy vertieft. Wenig Stoff für die Art von Fahrer, der sich als rollender Menschenkenner versteht und gerne Schwätzchen hält. Die Strecke ist ja auch zu kurz.

Nein, es ist völlig richtig, dass diese Linie 404 heißt – wie der Fehlercode im Internet, wenn eine Seite nicht gefunden wird. Genau so eine Strecke ist das. Ist doch besser, wenn so ein kleiner Automat das fährt.

Wobei man sagen muss, dass man die Strecke vielleicht auch einfach zu Fuß gehen könnte – maximal 15 km/h darf der kleine Autonome hier fahren, bei den Erkundungsfahrten zum Datensammeln war er oft nur mit 5 km/h unterwegs – mehr Verkehrshindernis als Verkehrsfortschritt.

Aber so ist das wohl mit diesem technischen Fortschritt. Ich warte auch immer noch auf den Roboter, der mir die verdammte Hausarbeit wegnimmt. Alles, was ich bisher bekommen habe, ist ein kleiner runder Staubsaugroboter (wir nennen ihn Bob), der so dumm ist, dass er sich immer wieder unterm Klo fest fährt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020