piwik no script img

Autonome Busse im TestKastenbrote auf Reifen

Seit 2020 testet Monheim am Rhein autonom fahrende Busse. Noch ist ein „Operator“ mit an Bord, der im Notfall eingreifen kann.

Weniger Fahrgäste wegen der Pandemie: Selbstfahrender Minibus in Monheim Foto: Jochen Tack/imago

Monheim taz | Die Zukunft sieht knuffig aus. Nur 4,05 Meter lang sind die autonom fahrenden Kleinbusse, die seit Ende Februar 2020 durch Monheim am Rhein rollen. Mit ihren kleinen Rädchen wirken die fünf mit Ökostrom laufenden Fahrzeuge des französischen Herstellers EasyMile ein wenig wie Kastenbrote auf Reifen. Auf einer vordefinierten Strecke in und um die Altstadt fahren die Busse im 15-Minuten-Takt – und im Regelbetrieb lenken, beschleunigen, bremsen sie dabei automatisch.

„Die Fahrzeuge bewegen sich auf einer virtuellen Schiene“, erklärt Detlef Hövermann, Geschäftsführer der Bahnen der Stadt Monheim – also der Verkehrsbetriebe. Damit Computer die Busse lenken können, ist die knapp drei Kilometer lange Fahrstrecke aufwendig vermessen worden, Änderungen der Linienführung sind spontan nicht möglich. In Ausnahmesituationen, in denen der Rechner nicht mehr weiterweiß, hält der Bus am Straßenrand.

Themenwoche Straßenkampf

Die Bundestagswahl ist eine Klimawahl. Ab dem 28. Juni stellen wir deswegen eine Woche unsere Berichterstattung unter den Fokus Mobilitätswende: Straßenkampf – Warum es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wie wir mobil sind. Alle Texte: taz.de/klima

Weiter mit an Bord ist deshalb ein „Operator“ genannter Fahrer. Mit einer Fernbedienung um den Hals steht der immer mit im Bus, kann über einen Joystick eingreifen – und soll so auch das Sicherheitsgefühl der maximal 11 Fahrgäste erhöhen. Ebenfalls aus Sicherheitsgründen liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 20 Stundenkilometern.

Ob das Zusatzangebot, das in erster Linie Fußwege in der Innenstadt ersetzt, mehr Menschen dazu gebracht hat, das Auto stehen zu lassen? Coronabedingt dürfen in den Kleinbussen nur noch 3 Passagiere mitfahren. Deutschlandweit seien die Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch die Pandemie um 30 Prozent eingebrochen, sagt Geschäftsführer Hövermann. Allerdings: In Monheim waren es laut Haushaltsbefragungen nur 25 Prozent weniger.

ÖPNV ist kostenlos

Grund dafür dürfte das Mobilitätskonzept sein, das Bürgermeister Daniel Zimmermann aufgelegt hat. Im gesamten Stadtgebiet ist der ÖPNV seit April 2020 kostenlos – zunächst einmal testweise für drei Jahre. Dazu ist ein Leihrad-System im Aufbau: 450 Bikes hat Zimmermann bereits anschaffen lassen. 30 Minuten Nutzung sollen 1 Euro kosten – im Angebot sind auch E-Bikes und Elektro-Lastenräder. Dazu kommen Elektroautos vom Typ Renault Zoe, die für 2,90 Euro pro Stunde zu mieten sind – Verbrauchsstrom eingeschlossen.

„Aktuell werden in Monheim etwa 55 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt“, erklärt Zimmermann. 20 Prozent der Verkehrsteilnehmer sind Fußgänger, 15 Prozent Radfahrer. Nur 10 Prozent nutzen den ÖPNV. Als kostenlose Fahrkarte dient der „Monheim-Pass“, der auch als Bibliotheksausweis dient. „Künftig werden damit rund 30 Dienstleistungen nutzbar sein“, schwärmt der Bürgermeister, „von der Musikschule bis zum Schwimmbad“.

Etwa 3,5 Millionen Euro lasse sich Monheim die ÖPNV-Förderung pro Jahr kosten, sagt Zimmermann. Diese und andere Wohltaten wie neue Kitas, kostenloses WLAN und flächendeckendes Glasfasernetz ermöglichen ausgerechnet Steuersenkungen: Der Bürgermeister hat den Gewerbesteuer-Hebesatz drastisch nach unten gedrückt – und damit Hunderte Firmen nach Monheim gelockt.

So teuer wie ein Gelenkbus

Was schon länger als „Steuerdumping“ kritisiert wird, finanziert die Anschaffung von Kleinfahrzeugen, die mit 300.000 Euro ähnlich viel kosten wie ein großer Gelenkbus. „Uns geht es erst einmal darum, die Technik auszuprobieren“, sagt Zimmermann. „Vielleicht gibt es den klassischen Beruf des Busfahrers irgendwann nicht mehr.“

Doch das dürfte dauern: „Erst um das Jahr 2040 wird kein Personal mehr im Fahrzeug nötig sein“, schätzt Luise Fitzthum, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Verkehrs­leitsysteme und -prozessautomatisierung der TU Dresden.

Denn gerade in Innenstädten sei der Verkehr mit Kreuzungen, Fußgängern, Radfahrern hochkomplex, erklärt die In­genieurin, die im Leipziger Norden selbst ein Pilotprojekt zum autonomen Fahren betreut. Und auch danach müssten die Fahrzeuge von einer Leitstelle aus überwacht werden, glaubt Fitzthum.

Angesichts der Vision des vollkommen autonomen Fahrens fragt sie: „Wollen wir das überhaupt?“ Das könne sogar zu noch mehr Verkehr führen: „Wenn sich jeder für jede Einzelstrecke jederzeit ein eigenes autonom fahrendes Auto kommen lassen kann, dient das nicht der Entlastung der Städte – und dem Klimaschutz erst recht nicht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Autonomes Fahren soll, wenn es denn irgendwann mal funktioniert, sicherer und effektiver (schneller, weniger Staus, mehr Fahrzeuge pro Straßenfläche) sein als mit trotteligen Menschen am Lenkrad. Kastenbrote sind übrigens einzig und alleine T2s mit "Posthochdach".

  • Autonomes Fahren. Aber wozu das ganze?! Gefahren wird ja trotz dem. Wo liegt der Vorteil für Klima und wie wird Ressourcenverbrauch dadurch reduziert?



    Bis heute habe ich auch nicht verstanden, was daran so toll sein, dass es in der Zukunft keine Bussfahrer*innen und Taxifahrer*innen geben soll.



    Kann mir jemand das plausibel erklären?

    • @Nilsson Samuelsson:

      Zu besserem Verkehrsfluss, verringerter Unfallzahl und Verringerung der privaten PKWs haben meine Vorredner ja schon was gesagt.

      Hinzu kommt eine bessere Nachhaltigkeit, weil der Computer mich mit Ihnen, wenn Sie fast das gleiche Ziel haben, zusammen in ein Fahrzeug setzen kann.

      Der ÖPNV kann sich flexibel dem Bedarf anpassen.



      Es gibt keine großen Busse oder Züge mehr, die leer durch die Gegend gondeln, weil der Fahrplan es verlangt.

      Wenn Sie transportiert werden wollen, melden Sie sich per App, und der Wagen setzt sich extra für Sie in Bewegung.

      Die Großraumlimousine bringt Sie dann bis an die Haustür. Sie müssen nie wieder im Regen an einer Bushaltestelle oder einem zugigen Bahnhof stehen.

      Der Fuhrpark kann jederzeit auf den neusten Stand der Technik gebracht werden: heute E-Autos, morgen wer weiß welcher Antrieb.

      Durch den Wegfall der großen ÖPNV-Transportmittel (U-Bahn und Straßenbahn) können diese Trassen und Tunnel für den individualisierten ÖPNV oder den Lastentransport genutzt werden.



      Das entlastet die Straßen in den Großstädten und gibt den Fußgängern mehr Raum.

      Der mit dem eigenen PKW vergleichbare Komfort wird viele überzeugen können, dass ein eigener Pkw unnötig ist.

      Wenn Sie mich fragen, ist das autonome Fahren das, was private Autos mal obsolet machen wird und Alten und Behinderten ein Höchstmaß an Partizipation ermöglicht.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Die Autoindustrie erhofft sich vom autonomen Fahren neue Gewinnmöglichkeiten in dem sie a) viele Daten sammeln kann denn, da erhalten die Fahrgäste ja bevorzugt über Apps Zugang und sind individuell nachverfolgbar auf all ihren Wegen und b) soll das autonome Fahren ja gerade auch für den Privat PKW umgesetzt werden damit die Fahrer:innen auch die Fahrtzeit nutzen können um all die alten und neuen social media zu nutzen (weitere Daten generieren) plus ganz und gar nicht mehr abgelenkt vom Verkehr für Produkt- und Dienstleistungswerbung ansprechbar sind.



      Fürs Klima bringt nur eines was: Drastische Reduzierung des Individualverkehrs denn nein, das 1:1 Austauschen von Verbrennern in Batteriebetriebene Elektromobile ist keine Lösung. Der Ausbau der Öffis hingegen schon auch auf dem Land. Wie viel mehr an CO2 Verbrauch dabei automatisierte Fahren gegenüber menschlichen Fahrer:innen produziert wurde glaube ich noch nicht durchgerechnet. Wenn es nur noch ein Drittel an Individualfahrzeugen gäbe hätten Busse, darunter auch flexible Kleinbusse und Taxis jedenfalls freie Fahrt und die viel genannte Unfallgefahr die durchs autonome Fahren reduziert werden soll wäre durch die ohnehin nötige drastische Reduktion des Individualverkehrs ohnehin fast gebannt. Auch Tempolimits und Leichtfahrzeuge statt immer schwerere Karossen auf den Straßen würden das ihre dazu beitragen - sie wären dann zugleich auch mit weniger Energieaufwand betreibbar.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Bei der Einführung des Autos haben sich auch viele gefragt was daran so toll ist, dass es in Zukunft keine Pferdeäpfelsammler mehr geben soll.

    • @Nilsson Samuelsson:

      So, hab mich jetzt endlich mal registriert jetzt.

      Platooning und bessere Verkehrführung werden definitiv möglich. Heute könnten schon viele Staus vermieden werden, würden sich alle Autofahrenden bspw. an die Google Maps-Navigation mit Echtzeitberechnung und -verteilung halten, die verteilen als möglichst gut - hatte ich irgendwann mal einen Stauexperten sagen hören (Quelle finde ich nicht mehr). Außerdem natürlich weniger Unfälle und damit weniger Staus. Außerdem wird sehr ineffizient gefahren - gefühlt kaum einer checkt, dass man mit Motorbremse an eine rote Ampel rollen kann. Gleichzeitig darf man natürlich dynamische Effekte nicht vergessen: Je komfortabler und schneller man an ein Ziel kommt, desto mehr nutzt man die Möglichkeit. Dadurch verdichtet sich der Verkehr natürlich wieder, aber da schafft das Internet hoffentlich Abhilfe (Videokonferenz statt persönlichen Meeting etc.) und macht Autofahrten außer für Warentransport und Urlaubsfahrten weitestgehend obsolet.

      Für Taxi- und Busfahrer*innen wird es so natürlich keine Zukunft geben, aber die Menschheit war schon immer bestrebt, die Effizienz zu steigern, wodurch ja auch schon sehr oft sehr viele Jobs weggefallen sind. Da ist das Problem auch eher, dass wir trotz unseres Wohlstandes und des immensen Aufstiegs der Automatisierung immer noch denken, dass 40 Stunden Arbeit pro Woche notwendig sind. dazu kann ich mal das Buch "Utopien für Realisten" von Rutger Bregman empfehlen.