Automarkt in China: VW wird zu fett
Volkswagen fährt Rekordergebnisse in China ein. Aber ein technisches Problem bringt den Autokonzern nun in die Bredouille.
PEKING taz | Volkswagen feiert in China derzeit eigentlich eine Riesensause. Von den rund 9 Millionen weltweit verkauften Autos gingen im vergangenen Jahr fast ein Drittel an Chinesen. Bis 2018 will das Wolfsburger Unternehmen die Stückzahl im Reich der Mitte noch einmal um 2 Millionen erhöhen. Sieben der zehn Werke der nächsten Jahre plant VW im Reich der Mitte. Doch ein an und für sich rein technisches Problem macht Europas größtem Autobauer nun zu schaffen.
Am Wochenende hat Volkswagen bestätigt, dass es aufgrund von Getriebeproblemen eine bisher unbestimmte Zahl an Autos zurückrufen werde. Wie viele Fahrzeuge davon betroffen sind und um welche Modelle es sich handelt, konnte der Sprecher des Konzerns nicht beantworten. Es werde noch gezählt. Das chinesische Staatsfernsehen CCTV berichtet von einer halben Million Fahrzeugen.
Probleme gibt es mit dem Direktschaltgetriebe (DSG) der Typen DQ200 und DQ250. Sie sollen eigentlich die Vorteile von automatischer Gangschaltung mit denen eines Schaltgetriebes verbinden. Doch chinesische VW-Besitzer beklagen, dass das DSG eben nicht reibungslos funktioniert, sondern unkontrolliert beschleunigt oder verlangsamt.
Tatsächlich ist das Problem nicht neu. Bereits Anfang 2012 hatten sich die Beschwerden gehäuft. VW-Manager spielten das Problem zunächst herunter. Doch sie unterschätzten den chinesischen Verbraucher. Vor allem in den sozialen Netzwerken war die Wut über den Konzern groß. Blogger warfen VW Arroganz vor. Der deutsche Konzern würde chinesische Autokäufer zweitklassig behandeln. Daraufhin reagierte VW und versprach, die Garantie fürs DSG auf zehn Jahre oder bis zu 160.000 Kilometer zu verlängern.
Freiwilliger Druck
Am vergangenen Freitag, an dem in China der Tag des Verbraucherschutzes begangen wurde, hat das chinesische Staatsfernsehen CCTV das Problem jedoch erneut aufgegriffen. Das Problem sei auch nach über einem Jahr nicht behoben, heißt es in der viel beachteten Sendung „3.15“. Nur einen Tag darauf reagierte auch das chinesische Amt für Qualitätsaufsicht. Es forderte Volkswagen auf, unverzüglich sämtliche defekten Autos zurückzurufen. Noch am gleichen Tag kam VW dieser Aufforderung nach und verkündete die Rückrufaktion.
Volkswagen selbst behauptet, der Rückruf erfolge „freiwillig“ und nicht auf Druck der Behörden. Die im vergangenen Jahr angelaufene Serviceaktion sei „ausgezeichnet“ gelaufen und vom Kunden auch angenommen worden. Bei 90 Prozent aller Fahrzeuge habe VW neue Software auf die Bordcomputer gespielt. „Volkswagen hat und wird weiterhin eng mit den zuständigen Stellen zusammenarbeiten“, heißt es in einer Stellungnahme des Wolfsburger Konzerns.
Dass ein so erfolgreicher Konzern wie Volkswagen auch nach über einem Jahr dieses Problem offensichtlich nicht in Griff bekommt, wirft Fragen auf. Hat Europas größter Autokonzern die chinesischen Konsumenten tatsächlich unterschätzt? Es wäre nicht das erste Mal. Nachdem VW bis in die 1990er Jahre hinein Marktanteile von über 80 Prozent in China hatte, brach 2003 der Absatz schon einmal abrupt ein. Damals dachte Wolfsburg, den Chinesen könne man immer noch ein Modell aus den 1970er Jahren – den Santana – andrehen.
Hinter dem jüngsten Fernsehbeitrag auf CCTV könnte allerdings auch der chinesische Staat stecken. Es ist kein Geheimnis, dass in den Reihen der chinesischen Führung einigen Politikern Volkswagen zu stark geworden ist. Aktuell liegt VWs Marktanteil in der Volksrepublik bei etwas über 20 Prozent. Chinas Führung will hingegen ihre eigenen Automarken stärken. Da kämen Probleme bei der Konkurrenz wie gerufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen