Autofreie Friedrichstraße: Sechs Monate Ruhe

Der mittlere Teil der Friedrichstraße soll laut Senatsverkehrsverwaltung von Juni bis November autofrei bleiben – ein Erfolg für AktivistInnen.

Im Oktober waren die Autos schon einmal für zwei Tage aus der Friedrichstraße verbannt Foto: imago/Bernd Friedel

Jetzt ist es – fast – offiziell: Der mittlere Abschnitt der Friedrichstraße wird dieses Jahr im Rahmen eines Verkehrsversuchs für ganze sechs Monate autofrei gemacht. Die Senatsverkehrsverwaltung lud am Mittwoch zu einem Workshop für Gewerbetreibende und andere AnrainerInnen der Nord-Süd-Achse, die unter Ladenschließungen und sinkender Attraktivität leidet. Nach Angaben der Pressestelle wollte Staatssekretär Ingmar Streese in diesem Rahmen „Vorschläge skizzieren“, wie sich der Bereich zwischen Französischer und Leipziger Straße von Anfang Juni bis Ende November für Kraftfahrzeuge sperren lasse, ohne die Funktionalität der Einkaufsstraße zu beeinträchtigen.

Laut Mitteilung der Verkehrsverwaltung geht es zurzeit noch um einen „Entwurf“ – nach taz-Informationen ist die Sperrung des 500 Meter langen Abschnitts aber beschlossene Sache. Hinzu kommt etwas später noch eine verkehrsberuhigte Zone am Checkpoint Charlie – dort werden Autos, Busse und Lkws dann nur noch mit Schrittgeschwindigkeit fahren können, Fußgänger haben Vorrang. Ziel von alledem sei es, „die Aufenthalts- und Lebensqualität für Berlinerinnen und Berliner sowie für Touristen zu erhöhen, die Attraktivität der Innenstadt an dieser zentralen Stelle zu steigern und damit auch Gewerbe und Einzelhandel zu stärken“.

Angekündigt war der Verkehrsversuch schon länger, bislang war allerdings nur von drei Monaten die Rede gewesen. Die zeitliche Ausdehnung ist ein Erfolg des Netzwerks Fahrradfreundliche Mitte im Verein Changing Cities. Zusammen mit Verbündeten, unter anderem bei den Grünen, hatte die Initiative das Modellprojekt bereits erdacht und vorangetrieben. Wie Stefan Lehmkühler von Changing Cities der taz nun sagte, hatte das Bezirksamt von Mitte die Drei-Monats-Lösung favorisiert. Die AktivistInnen hätten aber die Senatsverwaltung davon überzeugen können, dass sich in so kurzer Zeit nicht genügend Erfahrungen sammeln ließen.

„It’s the end of the world as we know it“, verkündete das Netzwerk Fahrradfreundliche Mitte am Mittwoch vollmundig auf seiner Website, natürlich mit leicht ironischem Zungenschlag. Immerhin: „Die Berliner Mitte wird sich verändern“, heißt es weiter, „und zwar so, dass wir sie in ein paar Jahren nicht wiedererkennen werden.“ Abgase, Lärm und unangenehmes Gedränge würden bald für immer der Vergangenheit angehören, denn: Nach einem halben Jahr ohne Autos „will keiner die alte Friedrichstraße zurück“, ist man sich bei der Initiative sicher.

Für Noteinsätze von Polizei oder Feuerwehr soll die entspannte „neue Friedrichstraße“ nach den Plänen von Changing Cities – und offenbar auch der Verkehrsverwaltung – weiterhin offen bleiben: Die Einsatzfahrzeuge könnten im Fall der Fälle über eine auf der Straßenmitte markierte „safety lane“ rollen. Für den Warenverkehr entstünden sowieso keine Probleme: „Das Gute an der Friedrichstraße ist, dass hier alle Anlieferwege über die Nebenstraßen verlaufen“, erklärte Stefan Lehmkühler der taz. Auch die Zufahrten zu den Tiefgaragen blieben komplett erhalten, in der Friedrichstraße selbst liege keine davon.

Bäume in Kübeln und Rigolen

Changing Cities betrachte den Verkehrsversuch auch als Maßnahme gegen die Klimanotlage, so Lehmkühler: „Im Sommer wird es dort wahnsinnig heiß, es gibt ja bislang keinerlei Straßengrün.“ Das werde sich nun ändern: Im Rahmen des Verkehrsversuchs könnten Baumkübel aufgestellt werden. Sollte der autofreie Zustand später tatsächlich ein bleibender werden, könne man trotz der U-Bahn unter der Straße mit sogenannten Baumrigolen arbeiten, unterirdischen Pflanzgefäßen, die auch überschüssiges Regenwasser zwischenspeichern.

Das erste Mal autofrei war die Friedrichstraße schon im Dezember 2018 – für zwei Stunden. Die Initiative „Stadt für Menschen“ hatte die Sperrung an einem Samstag für ihre Aktion „Flaniermeile“ erwirken können. Anfang Oktober 2019 dann gab es eine zweitägige Sperrung unter dem Motto „Friedrich, the Flaneur“, diesmal durchgeführt vom Bezirksamt Mitte und den Senatsverwaltungen für Verkehr und Wirtschaft.

Mahnende Worte kamen am Mittwoch von der FDP: Es sei „zu befürchten, dass unabhängig von den Ergebnissen des Versuchs schon eine Vorentscheidung für eine Fußgängerzone gefallen ist“, so der infrastrukturpolitische Fraktionssprecher Henner Schmidt. Dagegen spreche aber vieles, unter anderem die „fehlende breite Unterstützung der anliegenden Händler“. Ebenso wenig gebe es „ein erkennbares Konzept zur Umfahrung, weder für Autos, noch für den Radverkehr“. Schmidt verlangte die genaue Dokumentation und wissenschaftliche Begleitung der Sperrung. Die ist nach taz-Informationen aber ohnehin vorgesehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.