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Autobahnplan kommt in die SchubladeLob des Geldmangels

Für den Neubau der Autobahn A33-Nord bei Osnabrück fehlen im Bundeshaushalt die Mittel. Gegner der Trasse hoffen, dass sich daran nichts ändert.

Wer über Osnabrück nach Bremen Autobahn fahren will, muss weiterhin einen kleinen Umweg hinnehmen Foto: Fotostand/Kipp/Imago

Keine Baufreigabe kann laut Autobahn GmbH für die A 33-Nord bei Osnabrück erteillt werden. Das geht aus ihrem Finanzierungs- und Realisierungsplan (FRP) 2025-2029 hervor. Der wurde Mitte September aus dem Bundesverkehrsministerium (BMV) dem Verkehrsausschuss des Bundestages zugeleitet.

Autobahnplanungen führen meist zu erbitterten Kämpfen – politisch, umweltaktivistisch, juristisch. So auch hier. Die A33-Nord bei Osnabrück ist seit fast zwei Jahrzehnten in Planung.

Auf über 200 Millionen Euro allerdings sind die prognostizierten Kosten für den Bau der knapp 9,5 Kilometer von der A33 bei Belm zur A1 bei Wallenhorst explodiert. Zudem würde die Trasse dutzende Hektar Landschaft verbrauchen, ein FFH-Schutzgebiet des Netzwerks „Natura 2000“ zerschneiden.

Gegenwehr vom Lande

Die Befürworter betonen Zeitersparnis. So bezeichnete Lutz Brinkmann, für die CDU aus dem Osnabrücker Land im Bundestag, auch angesichts der korrigierten Kostenschätzung die A33-Nord als „notwendige Zukunftsinvestition“.

Die Industrie- und Handelskammer, die seit jeher für das Projekt wirbt, hat am Dienstag nach Redaktionsschluss ihren ersten Infrastrukturtag mit einem Vortrag zu dem Thema eröffnet. Die A33-Nord soll nach Dafürhalten der Kammer und des regionalen Arbeitgeberverbandes erhebliche wirtschaftliche Vorteile und die Entlastung von Ortsdurchfahrten bewirken.

Zu den entschiedensten Gegnern gehören allerdings die Anliegerkommunen Wallenhorst und Belm. Dort hatten die Ratsfraktionen von SPD, Grünen, CDU und UWG in einer Resolution vor dem Autobahnbau gewarnt. Sie verweisen auf die erhebliche ökologische Belastung – und zweifeln am Nutzen.

Die jetzige Bewertung biete „die Chance, das Vorhaben komplett fallen zu lassen, die Situation aber zumindest neu zu denken“, teilt Matthias Schreiber vom Umweltforum Osnabrücker Land der taz mit. „Wenn Osnabrück seine Autobahn unbedingt will: Dann bitte überwiegend auf städtischem Gebiet“, so seine Minimalforderung.

Denn „das würde die Baustrecke auf sechs Kilometer verkürzen und teure Zusatzmaßnahmen zum Artenschutz einsparen“. Vielleicht würde dann sogar das Geld reichen, vermutet er. Johanna Mai, Sprecherin des Bündnisses Exit A33-Nord, tritt dagegen für eine vollständige Streichung ein.

Zu den entschiedensten Gegnern gehören die Anliegerkommunen Wallenhorst und Belm

Sie habe zwar wenig Hoffnung, dass das Planverfahren für die A33-Nord jetzt ganz eingestellt wird. Aber „vielleicht wird es zumindest auf Eis gelegt“, sagt sie der taz. Offenbar habe das BMV erkannt, „dass der Erhalt und die Sanierung von Straßen Vorrang vor Neubauten haben müssen“. Das begrüße das Bündnis natürlich. Schließlich erzeuge eine neue Straße immer auch neuen Verkehr.

An die A33-Nord müsse „endgültig ein Haken zur Beendigung dran“, und zwar „egal, welche Trassenführung man dabei verfolgt“. Auch Volker Bajus, niedersächsischer Landtagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender ihrer Osnabrücker Ratsfraktion, freut sich über die Nachricht aus dem BMV.

„Für die Verkehrswende und den Klimaschutz brauchen wir den Ausbau von Bahn, Bus und Radverkehr und keine neue Autobahn“, schreibt er der taz. Auch er macht auf den „riesigen Sanierungsbedarf“ von Brücken, Bahnen und Bundesstraßen aufmerksam.

Tödliche Bundesstraße

„Schon dafür reicht das Geld in Berlin kaum“, so Bajus. In der Gesamtbetrachtung gefährde diese Autobahn Naturflächen und Naherholungsgebiete. Sie sei „weder umwelt- noch finanzpolitisch zu verantworten“.

In der Geldknappheit des BMV sieht das Bündnis Exit A33-Nord auch eine Chance. So könnte die Abstufung der Bundesstraße 68 vorangetrieben werden, die durch das Osnabrücker Stadtgebiet führt. Ihr Schwerlastverkehr hat zu zahlreichen Todesfällen in und um Osnabrück geführt. Im Frühjahr war ein siebenjähriges Mädchen beim Überqueren der Straße in Alfhausen überfahren worden.

Der Bau der A33-Nord galt bislang als Voraussetzung dafür, die Route aufs umliegende Autobahnnetz von A1 und A30 zu verlegen. Es gelte nun, so Mai, für die B68 eine Lösung zu finden, unabhängig von der A33-Nord. „Das hängt nämlich nur politisch zusammen, nicht rechtlich.“

Auch Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus der Region Osnabrück, ist dafür, die A33-Nord zu beerdigen. „Allein in der Region Osnabrück halten 70 Brücken dem Straßenverkehr nicht mehr bedingungslos stand.“ Hierauf müsse sich die Verkehrspolitik jetzt konzentrieren. Auch sei zu fragen, „ob es nicht unverantwortlich ist, Planungspersonal in offensichtlich aussichtslosen Projekten zu beschäftigen“.

Räumen für die imaginäre Trasse

Polat fordert die Autobahn GmbH daher auf, das Aufkaufen von Grundstücken und den Abriss von Gebäuden entlang der imaginären Trasse angesichts der Neubewertung einzustellen. Alles andere würde ein völlig falsches Signal setzen. Ohnehin sei in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels ein solcher Autobahnbau unverantwortlich.

„Bislang konnte mir niemand überzeugend darlegen, welchen konkreten Nutzen eine A33-Nord überhaupt bringen würde“, so die Politikerin. Ein vermeintlicher Zeitgewinn von wenigen Minuten wiege die Kosten sicher nicht auf. Sie erwartet auch, dass die Auswirkungen auf den Osnabrücker Stadtverkehr eher gering seien.

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