Auswirkungen von Tempo 30: Vier Prozent sind erst der Anfang
Tempo 30 reduziert gesundheitsschädliche Stickoxide nur im geringem Maß. Dennoch ist es keine gescheiterte Symbolpolitik von AutogegnerInnen.
F ür viele AutofahrerInnen ist die Einführung von Tempo 30, wo sonst 50 Stundenkilometer gefahren werden durften, eine massive Veränderung im Straßenverkehr; manche fühlen sich gar in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt. Wenn dann eine Studie wie aktuell die der Senatsverwaltung für Verkehr ergibt, dass die damit erwünschten Wirkungen in Sachen Umweltschutz gering sind, wird schnell die Geschwindigkeitsreduzierung an sich infrage gestellt. Doch das Gegenteil ist richtig.
Denn nicht nur für viele AutofahrerInnen stellt Tempo 30 auf Hauptstraßen eine große Veränderung dar, sondern auch für andere, oft marginalisierte VerkehrsteilnehmerInnen wie FußgängerInnen oder RadlerInnen. Für sie bedeuten langsamer fahrende Autos eine fulminante Verbesserung der Stimmung auf der Straße insgesamt. Für alle Verkehrsteilnehmer verbessert sich das individuelle Sicherheitsempfinden.
Wenn also eine Untersuchung der Senatsverwaltung ergibt, dass bei gleichem Verkehrsaufkommen Tempo 30 auf der Leipziger Straße im Jahresschnitt lediglich für vier Prozent weniger gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) sorgt, mag das zuerst nach gescheiterter Symbolpolitik von AutogegnerInnen klingen. In Wirklichkeit ist es jedoch ein Zeichen dafür, dass noch viel härtere Schritte und Schnitte nötig sind.
Denn erstens bedeutet das Ergebnis der Auswertung, dass eine Maßnahme allein nicht ausreicht, um die von der EU vorgeschriebenen und von Gerichten geforderten Grenzwerte einzuhalten. Weiterhin sind viel zu viele Dreck produzierende Autos unterwegs. Daran müssen zweitens offenbar noch viel mehr Menschen als bisher erinnert werden, damit sie auf den öffentlichen Nahverkehr, Fahrgemeinschaften oder das Rad umsteigen.
Schließlich dürfen drittens solche Einschränkungen nicht nur aus Sicht der direkt Betroffenen gesehen werden, sondern auch aus Sicht der indirekt Betroffenen. Und da kann es nur heißen: Tempo 30 stadtweit, plus weniger Parkplätze und mehr Radwege … Vier Prozent sind erst der Anfang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke