Ausweitung des Abgasskandals: Aufklärung statt Drohungen
Kaum zu glauben. Monatelang haben die Automobilkonzerne wegen ihrer Abgaswerte gemauert. Jetzt weisen sie jede Schuld von sich.
D as ist schon dreist. Seit Monaten weisen Medien und Verbände darauf hin, dass es auch bei anderen Herstellern als Volkswagen auffällig hohe Abgaswerte gibt, sofern sie außerhalb der exakt definierten und daher leicht erkennbaren Testbedingungen gemessen werden. Nun haben die Deutsche Umwelthilfe und das ZDF weitere eigene Messwerte erhoben, in denen Mercedes und BMW extrem schlecht aussehen.
Doch statt die Aufklärung intensiv zu unterstützen, mauern die Konzerne – und drohen ihren Kritikern. Selbst legen BMW und Daimler hilflos erscheinende Erklärungen vor, die Experten für wenig überzeugend halten. Doch die naheliegende Vermutung, dass sie ebenso wie VW zu illegalen Mitteln gegriffen haben, weisen sie nachdrücklich zurück – und wollen durch ihren Anwälte sogar verhindern lassen, dass dieser Verdacht auch nur geäußert wird. Auch Prüflabore und Wissenschaftler spüren offenbar Druck aus der Industrie; in Deutschland findet sich derzeit niemand, der entsprechende Abgastests durchführen will.
Doch dieser Weg von Druck und Einschüchterung wird nicht funktionieren. Es ist nicht erwiesen, dass auch die Konkurrenz von VW ihre Abgaswerte manipuliert, doch es gibt klare Indizien dafür und ein ebenso klares Dementi der Konzerne. Dieser Widerspruch lässt sich nicht durch Drohungen von Anwälten aus der Welt schaffen, sondern nur durch völlige Offenheit und nachvollziehbare Erklärungen.
Doch davon ist leider wenig zu spüren. Auch im Fall VW, bei dem das illegale Vorgehen erwiesen ist, wird die Öffentlichkeit nur spärlich informiert. Bei den meisten Fahrzeugen soll ein kleines Plastikgitter das Problem lösen; die Wirksamkeit wird von Experten bezweifelt, doch genaue technische Informationen gibt es weder vom Unternehmen noch vom zuständigen Kraftfahrtbundesamt.
Diese Behörde, die traditionell eng mit den Autokonzernen zusammenarbeitet und sich bei den Zulassungen bisher stets auf deren Angaben verlassen hat, beweist immer mehr, dass sie mit der Aufklärung und Aufarbeitung des Abgasskandals überfordert ist. Neben einer neuen Kultur der Offenheit in den Unternehmen braucht Deutschland darum dringend eine neue Aufsichtsstruktur, die – wie in den USA – eigene und unabhängige Messungen durchführt und deren Ergebnisse auch veröffentlicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern