Ausweisung nach Uganda und Ruanda: Geflüchtete bleiben in Israel – vorerst
Die Regierung gibt die Zwangsverschickung von Afrikanern vorerst auf. Aber die Einwanderungsdebatte spaltet weiterhin die Bevölkerung.
Rund 40.000 zumeist aus dem Sudan und Eritrea Geflüchtete leben heute in Israel. Für einen Staat, der in kürzester Zeit eine Millionen russische Immigranten aufgenommen hat, ist das eine verschwindend geringe Zahl. Nichtsdestotrotz wollen die national-religiösen und die ultraorthodoxen Koalitionspartner von Regierungschef Benjamin Netanjahu einem unbefristeten Aufenthalt unter keinen Umständen zustimmen, da sie „den jüdischen Charakter Israels“ gefährdeten.
Seit Monaten verfolgt Netanjahu, der hartnäckig von „Arbeits-Infiltranten“ spricht, einen für die Betroffenen zermürbenden Zickzackkurs. Hieß es zunächst, dass die Hilfesuchenden zwischen „freiwilliger“ Ausreise oder Gefängnis wählen sollten, verkündete Netanjahu Anfang des Monats überraschend, Israel sei mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zu der Einigung gekommen, dass innerhalb von fünf Jahren „16.250 von westlichen Staaten, wie Kanada und Deutschland“ aufgenommen werden und die gleiche Anzahl von Geflüchteten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Israel erhalten sollen. Auch daraus wurde nichts. Netanjahu kündigte auf Druck seiner Koalitionspartner das UN-Abkommen noch am selben Tag auf, um den ursprünglichen Plan der beschleunigten Ausweisung zu reaktivieren.
Das umstrittene Prozedere zielte zunächst auf alleinstehende Männer, die mit einer Prämie in Höhe von 3.500 US-Dollar gelockt werden sollen und mit einem One-Way-Ticket in die Ungewissheit. Problematisch für den Plan war, dass Ruanda und Uganda die Freiwilligkeit der Flüchtlinge voraussetzten. Diese Lücke machten sich mehrere Menschenrechtsorganisationen zunutze, um vor den obersten Gerichtshof zu ziehen. Im Ergebnis musste die Regierung von ihrem Plan der beschleunigten Ausweisung ablassen und die letzten 200 Häftlinge aus dem Flüchtlingsgefängnis Saharonim auf freien Fuß setzen. Das Haftlager Holot war bereits im März geschlossen worden.
Noch bis zum letzten Sonntag rang eine israelische Sonderdelegation um die Zustimmung der Regierungen in Kigali und Kampala – ohne Erfolg. Regierungschef Netanjahu und Innenminister Arie Deri, Chef der orthodoxen Partei Schass, kündigten nun an, das Haftlager Holot zu reaktivieren, das Platz für 3.000 bis 4.000 Männer hat, sowie eine Gesetzreform voranzutreiben, mit der die Regierung den obersten Gerichtshof umgehen könnte.
Die Debatte spaltet die Bevölkerung. Während vor allem der national-religiöse Sektor keinerlei Mitgefühl für die Geflüchteten zeigt, besteht im weltlich-liberalen Lager große Solidarität. Rund 25.000 Demonstranten forderten die Regierung bei einer Demo in Tel Aviv zur Aufnahme der Geflüchteten auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe