Asyl- und Migrationspolitik in Israel: 5.000 Dollar für jeden Geflüchteten
Um die Zahl der Einwanderer in Israel zu verringern, will Netanjahu Beziehungen zu Afrika vertiefen. Abkommen dazu sind nach wie vor geheim.
5.000 Dollar bietet Netanjahu Ruandas Präsident Paul Kagame, mit dem er am Dienstag in Nairobi zusammentraf, für jeden Flüchtling, den er aufzunehmen bereit ist. Die Migranten selbst werden nicht gefragt. Wer sich der Ausreise verweigert, soll ins Gefängnis kommen. „Wir beabsichtigen, die Verbindungen mit Afrika zu vertiefen“, meinte Netanjahu zuversichtlich vor Antritt seiner dritten Reise innerhalb von eineinhalb Jahren auf den benachbarten Kontinent.
Schon in der kommenden Woche könnte die Knesset, das israelische Parlament, abschließend über die gesetzliche Möglichkeit, Flüchtlinge gegen ihren Willen in Drittländer abzuschieben, entscheiden. Das bedeute „eine dramatische Verschärfung der bisherigen Situation“, meint Adi Drori-Avraham von der Hilfsorganisation für Flüchtlinge und Asylsuchende in Israel, eine von sieben Nichtregierungsorganisationen.
Diese wandten sich mit einem Appell an Kagame, eine Regelung, „die die Menschen vor die Wahl zwischen Ausreise oder unbefristeter Gefängnishaft stellt“, nicht zuzustimmen. Laut Urteil des Obersten Gerichts in Jerusalem darf Israel Flüchtlinge abschieben, vorausgesetzt, es gibt ein Land, das bereit ist, sie aufzunehmen. „Ob es zu einer Massenabschiebung kommen wird oder zu Massenverhaftungen, liegt damit letztlich in den Händen Kagames“, erklärt Drori-Abraham.
Zunächst unter Gruppenschutz
In einem vergangene Woche von der Tageszeitung New Times in Ruanda veröffentlichten Interview erklärte Außenministerin Louise Mishikiwabo, ihr Land sei bereit, „10.000 Asylsuchende“ aufzunehmen. Bedingung sei jedoch, dass sie „aus freien Stücken“ kommen. Einzelheiten über „Unterkunft und allgemeines Wohl“ derer, die aus Israel nach Ruanda reisen, seien noch ungeklärt, meinte die Chefdiplomatin in Kigali. Es müsse dafür gesorgt sein, dass die Migranten „lange genug bleiben, um Arbeit zu finden“.
Genau das war bislang nicht gewährleistet. In den letzten zweieinhalb Jahren traten rund 4.000 Flüchtlinge die Reise in ein Drittland an – vor allem nach Ruanda, gelockt von der einmaligen Ausreiseprämie, die Israel in Höhe von 3.500 US-Dollar zahlt, sowie aus Angst davor, im offenen Haftlager Holot inhaftiert zu werden, das Anfang 2018 geschlossen werden soll.
Scharon Harel von der Tel Aviver Vertretung des UN-Menschenrechtsrats kritisiert, dass „die Abkommen noch immer geheim sind“. Von Berichten der Flüchtlinge wisse man heute, dass „die Leute von Ruanda aus nach Uganda geschickt werden, ihre Papiere abgeben und Geld an Menschenhändler zahlen müssen“, bevor sie erneut „in andere Länder“ abgeschoben werden. Die UN-Vertreterin vermutet, dass die israelischen Behörden anfangs „alleinstehende Männer“ abschieben werden, deren Asylanträge abgelehnt wurden.
Seit 2005 kommen afrikanische Flüchtlinge nach Israel, zuerst einzelne, später bis zu tausend in einem Monat. Die Behörden stellten die Flüchtlinge in den ersten Jahren unter eine Art Gruppenschutz, was dazu führte, dass niemand einen Asylantrag stellte. In den Papieren heißt es offiziell, dass die Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, in der Praxis verfolgt die Polizei aber niemanden, der es doch tut.
Mit Grenzanlagen zur ägyptischen Halbinsel Sinai sollte die Migration gestoppt werden und später mit der Bestrafung der „Infiltranten“, so die offizielle Bezeichnung für die illegalen Einwanderer seit 2012. Erst jetzt stellten die ersten Flüchtlinge Asylanträge, allerdings ohne großen Erfolg. Nur knapp ein Dutzend der Anträge sind bewilligt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fußball WM 2030 und 2034
Der Profit bleibt am Ball