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Vier Szenarien zum Streit in der UnionAuswege aus dem Rentenstreit

Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion droht, das Rentenpaket scheitern zu lassen. Die SPD ist zu einer Veränderung nicht bereit. Wie also weiter?

Kommen sie Merz entgegen? Mitglieder der Jungen Union während einer Rede des CDU-Abgeordneten Pascal Reddig zum Thema Renten Foto: Heiko Becker/reuters
Sabine am Orde

Aus Berlin

Sabine am Orde

Am Donnerstag kommen die Spitzen von Union und SPD im Kanzleramt zum Koalitionsgipfel zusammen. Ein Thema dabei, erneut: das Rentenpaket. Das hat das Kabinett längst passiert, die jungen Abgeordneten der Union aber drohen damit, im Bundestag nicht zuzustimmen. Die eigene Mehrheit der schwarz-roten Koalition wäre dahin.

Die Junge Gruppe stößt sich vor allem an einem Satz im Gesetzentwurf von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas: „Auch 2031 liegt das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht.“ Das geht ihrer Ansicht nach über den Koalitionsvertrag hinaus und verursache bis 2040 Mehrkosten von bis zu 120 Milliarden Euro.

Für die SPD dagegen ist die Formulierung die logische Konsequenz daraus, dass sich die Koalition auf die sogenannte Haltelinie bis 2031 verständigt hat: Dass also das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens stabilisiert wird. Für die SPD ist das ein Kernanliegen, zu Nachverhandlungen am Gesetzestext ist sie nicht bereit. Die Situation ist also verfahren. Vier Szenarien für mögliche Auswege.

1. Verschieben: Die Koalition könnte das Paket entweder zurückziehen oder erst weiter verfolgen, wenn die Rentenkommission im kommenden Jahr ihre Ergebnisse vorgestellt hat – und dann weitreichendere Reformen mit dem aktuellen Paket verschränken. Das wäre möglich, weil das Rentenniveau wohl bis 2029 nicht unter 48 Prozent fallen wird. Aber keine der drei Parteien will das. Jede hat ein Lieblingsprojekt, das in dem Paket steckt: Für die SPD ist es die Haltelinie, für die CDU die Aktivrente, die Rent­ne­r*in­nen zu längerem Arbeiten motivieren soll, für die CSU die Ausweitung der Mütterrente. Und: Die Koalition würde reformunfähig erscheinen. Zudem haben sich alle drei Parteispitzen festgelegt: Das Paket werde noch in diesem Jahr verabschiedet. Eine Verschiebung ist also unwahrscheinlich.

2. Den umstrittenen Satz streichen: Scheint logisch, wenn sich alle ohnehin für grundlegende Reformen aussprechen, die nach 2031 wirken würden. Das aber macht die SPD nicht mit, zu zentral ist für sie die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus. Hier gilt wohl: Entweder kommt das ganze Paket oder keines der Elemente. Ist also nahezu ausgeschlossen.

3. Der Jungen Gruppe andere Zugeständnisse machen: Gespräche fänden derzeit ständig und auf allen Ebenen statt, heißt es aus der Union. Dass sich die Junge Gruppe mit einem ergänzenden sogenannten Entschließungsantrag einfangen lässt, ist eher unwahrscheinlich, denn der wäre nicht verbindlich. Ob ein Sitz in der Rentenkommission etwa für Pascal Reddig, den Vorsitzenden der Jungen Gruppe, diese besänftigen würde, ist ebenfalls fraglich. Die Abgeordneten der Jungen Gruppe wollen eine möglichst verbindliche Zusage, dass die Mehrkosten von bis zu 120 Milliarden Euro bis 2040 überhaupt nicht entstehen.

Wie die aussehen könnte, ist bislang unklar. Aber nach einer Lösung wird derzeit händeringend gesucht. Wichtig ist dabei auch die Sorge, dass – sollte die Koalition keine Lösung finden – es bei der knappen Mehrheit künftig schwer werden könnte, überhaupt irgendetwas durchzusetzen. 13 unzufriedene Abgeordnete finden sich ziemlich schnell. Wohl der wahrscheinlichste Ausweg.

4. Vertrauensfrage: Bundeskanzler Friedrich Merz könnte das Rentenpaket an eine Vertrauensfrage koppeln und so eine Zustimmung erzwingen. Dass die Junge Gruppe am Sturz ihres Kanzlers schuld sein will, ist eher unwahrscheinlich. Die Kopplung der Vertrauensfrage an eine Sachentscheidung gab es bislang nur einmal: Als Gerhard Schröder 2001 damit die Zustimmung der rot-grünen Regierung zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan erzwang. Merz würde damit die eigene Führungsschwäche eingestehen, mit unkalkulierbaren Konsequenzen. Er hat die Vertrauensfrage bislang ausgeschlossen. Also: höchst unwahrscheinlich.

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