Ausverkauf des Fußballs: Die Bösen in der nächsten Etage
Der deutsche Fußball öffnet sich weiter für Private-Equity-Firmen, aber schuld an bedenklichen Entwicklungen sind immer die anderen.
K ürzlich war ich auf einer Veranstaltung, wo der Fußball sich mal wieder selbst beklatschte. Wie wichtig er sei für Demokratie, politische Bildung und so weiter. Anschließend sagte mir ein Union-Berlin-Beteiligter sinngemäß: „Vieles im Fußball läuft falsch, aber unser Klub schafft es ja noch, anständig zu sein.“ Es ist ein Satz, den ich in unzähligen Varianten gehört habe.
Der böse Fußball ist der andere. Das finden sogenannte Amateurklubs, auch mit Investor-Präsident („die Profis da oben“), das finden Frauen („die Männer und ihr irres Business“), das finden Männer-Zweitligisten („bei uns ist es ja noch okay“). Und für Männer-Erstligisten sind die entrückten Irren die Premier League, Katar oder die Fifa.
Ein gescheitertes System, bei dem wundersamerweise gar niemand mitmacht – und wenn, dann nur widerwillig wegen denen da oben. Vor allem lieben die Deutschen ihre Stellvertreter-Aufreger. Die Klub-WM nach Saudi-Arabien, schlimm. Eine Branche, die sich nicht darum schert, unter welchen menschenrechtswidrigen Bedingungen Frauen in Textilfabriken ihre Rendite sichern, will die arabische Frau befreien.
Also jene am Golf, nicht die bei der Klub-WM in Marokko, Marokko ist ja kein Rivale. Ein anderer Ausverkauf wird derweil fast unbemerkt vorangetrieben. Wie der Kicker vermeldete, hat die DFL jetzt sechs Private-Equity-Unternehmen in der engen Auswahl, größtenteils aus den USA, um Mehreinnahmen bis zu 3 Milliarden Euro zu sichern. Die Begründung, wie üblich: Schuld ist die Premien League.
Trend zu Klub-Konglomeraten
Die stille Einflussnahme durch zweifelhafte US-Konzerne nimmt an Fahrt auf: Bremen lehnte gerade in letzter Minute ein Angebot einer US-Investorengruppe ab, sucht aber weiter nach einem Investor (schuld sind die finanzstärkeren Klubs); Hertha brüstet sich zwar mit demokratischem Fan-Präsidenten, doch der treibt derzeit den Weiterverkauf an den US-Investor 777 voran, der ein ganzes Portfolio an Klubs pflegt.
Der Trend geht zu Klub-Konglomeraten. Bezahlt von Firmen, die fatale Investitionen tätigen (Luftfahrt, Regenwald-Abholzung, Glücksspiel und eigentlich alles) und gern vor allem „Kosten senken“. Die Profite aus gesellschaftlichen Schäden fließen weiter in die Taschen einzelner männlicher Fußballer. Der Aufschrei bleibt aus.
Die Lösungen liegen dabei auf der Hand: Ein eigener Wettbewerb mit demokratisch ausgehandelten Geldmitteln, mit Tabellenpunkten auch für ethische und soziale Leistung statt nur für Siege, mit einem Plan für Fußballzentren weltweit statt Machtkonzentration in Westeuropa und rechtlichen Grenzen gegen ökonomische und ökologische Gewalt. Aber dafür müsste man halt aufhören, ständig die Verantwortung abzuwälzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen