Australiens Umgang mit Asylsuchenden: Monumentale Ohrfeige
Tennisprofi Đoković war im selben Hotel untergebracht wie Geflüchtete. Die Causa wirft ein Schlaglicht auf Australiens grausame Asylpraxis.
N ur zu einfach ließe sich das Chaos um den Entscheid der australischen Immigrationsbehörden überbewerten, Novak Đoković am Einreiseschalter in Melbourne abzuweisen. War es böser Wille? Neid vielleicht? Oder sogar politische Einflussnahme? Wahrscheinlich nicht. Die Ursache für den von einem Richter nun spektakulär abgeschmetterten Entscheid ist wohl um einiges banaler: das administrative Birchermüsli der australischen Behörden. Jeder macht ein bisschen was.
Bürokraten der Gliedstaaten sprechen nicht mit jenen der politisch anders gelagerten Bundesregierung. Eine Hand weiß nicht, was die andere tut. Dieses eine Mal aber hatte ein Problem, mit dem australische StaatsbürgerInnen täglich konfrontiert sind, eine positive Seite. Internationale Flüchtlingsorganisationen hätten sich keinen besseren Skandal wünschen können, um auf einen mehrfach größeren und ernsteren hinzuweisen.
Im selben Hotel, in dem der serbische Profitennisspieler mehrere Nächte unfreiwillig verbringen musste, leben Dutzende von abgewiesenen Asylsuchenden – einige seit neun Jahren. Die Bedingungen sind erschreckend: miserables Essen, gelegentlich durchsetzt von Maden, viel zu wenig frische Luft, soziale Isolation, Suizidgefahr. Gefängnis eben. Für Menschen, die nichts anderes gesucht hatten als ein Leben in Sicherheit.
Dass der Fall Đoković Licht auf diese grausame Praxis wirft – dafür werden humanitäre Organisationen dem Serben wohl noch lange danken. Nicht aber für seine Arroganz, als Ungeimpfter wissentlich die Gesundheit der australischen Bevölkerung zu gefährden und das zu einer Zeit, in der sich Covid-19 mit einem Tempo durch das Land frisst wie nie zuvor in den letzten zwei Jahren. Auf diesen Punkt dürfte sich Canberra nach dieser monumentalen richterlichen Ohrfeige konzentrieren.
Der australische Einwanderungsminister Alex Hawke hat die Macht, den Serben wieder vor die Türe zu stellen, so wie er die Macht hätte, die bedauernswerten Geflüchteten im Hotel in die Freiheit zu entlassen. Dieses Match hat Đoković noch nicht gewonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste