Australien schwächt die Verschlüsselung: „Big Brother“ down under
Australien verpflichtet Messaging-Dienste wie Whatsapp oder Telegram, Schwachstellen einzuprogrammieren – damit die Behörden mitlesen können.
CANBERRA taz | Für Australiens Innenminister Peter Dutton ist klar: Die Verschlüsselung ihrer Kommunikation in Messaging-Diensten wie WhatsApp und Telegram erlaubt Kriminellen und Terroristen, ihre Taten außerhalb der Reichweite von Polizei und Geheimdiensten zu planen. „Die Technologie hat das Gesetz überholt“, so der Ex-Drogenfahnder. „Wir befinden uns in einer dunklen Ecke, wo die Polizei blind ist, wenn es um die Kommunikation mit solchen Messaging-Applikationen geht.“
Damit ist jetzt Schluss. Am Donnerstagabend, Minuten vor der Sommerpause, verabschiedete Australiens Parlament eine entsprechende Gesetzesvorlage. Geheimdienste und Polizei werden künftig von Soft- und Hardware-Herstellern den Zugang zu verschlüsselten Mitteilungen Verdächtiger verlangen können. Technologie-Anbieter können sogar angewiesen werden, von Geheimdiensten entwickelte Software zu installieren, die Einblick in den Datenverkehr Verdächtiger erlaubt.
Ein Kompromiss der konservativen Regierung mit der oppositionellen Labor-Partei hat zur Folge, dass die weitreichendsten Eingriffe sowohl vom Justizminister als auch vom Kommunikationsminister bewilligt werden müssen. Hersteller sollen nicht verpflichtet werden können, „systemische Schwachstellen“ in ihre Produkte einzubauen.
Bereits am Dienstagabend hatte die sozialdemokratische Opposition dem Gesetz „unter Vorbehalt“ zugestimmt. Man habe sich mit der Regierung geeinigt, die Maßnahmen nur bei „ernsthaften Delikten“ einzusetzen: Terrorismus, sexueller Kindesmissbrauch sowie andere Straftaten, für die eine Haftstrafe von mindestens drei Jahren droht. Laut Regierung könnte es in australischen Städten schon zu Weihnachten zu Terroranschlägen kommen.
„Ein Traum für jeden autoritären Politiker“
„Das Gesetz wird weltweit Konsequenzen haben“, meint ein IT-Experte. „Andere Staaten werden Australien als Vorbild sehen für die Unterminierung der Verschlüsselungsdienste in ihrem Land. ‚Big Brother‘ in WhatsApp zu haben ist ein Traum nicht nur für Internet-Polizisten, sondern für jeden autoritären Politiker“, so der Spezialist.
Lizzie O’Shea von der Verbraucherschutzorganisation Digital Rights Watch spricht von „extrem weitreichenden Befugnissen“ für Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste, um „Verschlüsselung zu unterminieren“. Die diene nicht nur der Kommunikation zwischen Personen: „Unser Bankensystem, unsere Elektrizitätswerke, unser Gesundheitssystem – alle basieren auf Verschlüsselung. Bricht man einmal in ein Verschlüsselungssystem ein oder ist es zur Bekämpfung eines Kriminalfalls geschwächt – so gut gemeint das auch ist –, kann diese Schwächung für jeden Zweck genutzt werden. Sie wird zum Werkzeug für verschiedene Gruppen, inklusive Kriminelle und staatlich gesponserte Terroristen. Man kann diese Schwachstelle nicht mehr kontrollieren“.
Eine Allianz großer Technologie-Konzerne wie Google, Facebook und Twitter nannte das Gesetz eine „reale Gefahr für die australische IT- und Kommunikationsindustrie“, die Exporte von umgerechnet 2,06 Milliarden Euro im Jahr generiere.
Leser*innenkommentare
Volker Maerz
Wie hat man sich das konkret vorzustellen? Werden künftig CEOs von australischen SEKs entführt und ihre Coder so gezwungen, Schwachstellen einzubauen?
Jakob Cohen
Wer erlebt hat wie die bei der Einreise schon drauf sind ( Neuseeland auch ) der ist froh wenn er das Land wieder verlassen kann um nie mehr zurück zu kommen.