Ausstellungsreihe zu Raum und Zeichnung: Einladung zum Eintauchen
Claudia Busching ist Gastgeberin der Ausstellungsreihe „Zeichenraum“ in Pankow. Dort greifen die Linien von der Fläche auf die Wand über.
Gezeichnete Linien brauchen einen festen Grund. Die Linien aber, die Asako Tokitsu hoch oben in einer Ecke des Zeichenraums angebracht hat, wirken wie in die Luft geworfen. Nicht nur, weil man zu ihnen hochblicken muss, liegt der Gedanke an Verzweigungen in Bäumen nahe oder an Vogelnester. Sondern auch, weil der Zeichenraum in einem Garten steht. Und weil Asako Tokitsu, die aus Japan kommt und in Berlin lebt, in ihren Installationen und Raumzeichnungen stets einen Bezug zwischen dem Vorgefundenen und dem neu Geschaffenen herstellt. Das Zwei- und das Dreidimensionale verschmelzen in den gezeichneten Bögen, die über Ecken und Kanten hinweggehen.
Claudia Busching hat Asako Tokitsu in den Zeichenraum eingeladen. Sie ist selbst Künstlerin, aber auch Kuratorin und Gastgeberin, die immer wieder die Kommunikation mit anderen Künstler:innen sucht. Sie brauche das, sagt sie, um aus der Einsamkeit und Egozentrik des Arbeitens im Atelier auszubrechen. Neben dem Haus, in dem sie in Pankow mit ihrer Familie wohnt, stand im Garten eine alte Garage, die sie umbauen ließ. Im Winter stehen dort empfindliche Pflanzen, im Sommer aber ist er für Kunstprojekte nutzbar.
Im Sommer 2021 begann hier die zehnteilige Reihe „Zeichenraum“, mit neun eingeladenen Künstlerinnen, die den Raum jeweils solo bespielten. Asako Tokitsu ist die achte Künstlerin. Die zehnte Ausstellung wird von Claudia Busching selbst sein. Und 2026, das hat Busching vor Kurzem erreicht und freut sich darüber sehr, werden alle Künstlerinnen zusammen in der Villa Zander in Bergisch Gladbach ausstellen können.
Eine Woche Arbeit vor Ort
Eine Woche haben die Künstlerinnen jeweils Zeit gehabt, in dem Raum zu arbeiten. Claudia Busching kocht auch gerne für sie, manche schlafen in einem Gästezimmer im Haus. Den Arbeitsprozess verfolgt die Kuratorin mit der Kamera und ist dann, während der Öffnungszeiten an vier Wochenenden, immer vor Ort, um mit Besuchern über die Arbeiten zu reden. Denn es geht auch um den Prozess der Aneignung des Raums.
Zeichenraum VIII mit Asako Tokitsu, Sa. und So. 15–18 Uhr, bis 30. 6., Elisabethweg 4a, 13187 Pankow
Monika Bartholomé aus Köln, mit der die Reihe 2021 begann, hängte Papierbahnen über die Wände, legte den Boden damit aus und ließ verschachtelte Strukturen entstehen. Jolanta Wagner aus Warschau zeichnete auf alten Architekturplänen, Raumplanungen überlagerten sich. Julia Ziegler arbeitete mit Papierklebestreifen, die perspektivische Illusionen erzeugen können, direkt auf der Wand. Katja Pudor zeichnete an fünf Performance-Terminen auf die Flächen von Wand und Boden.
Einige der eingeladenen Arbeiten wie von Asako Tokitsu sind eher minimalistisch, andere wie von Katja Pudor schon von malerischer Üppigkeit. Claudia Buschings Konzept für den Zeichenraum, die Einladung an Künstlerinnen, lag auch die Beobachtung zugrunde, dass es oft Künstlerinnen waren, die aus dem begrenzten Geviert des Blatt Papiers den Weg in den Raum mit zeichnerischen Mitteln suchen. Auf alle ihre Gäste im Zeichenraum traf dies zu, und oft kam damit auch das Element der Bewegung ins Spiel.
Etwa bei Betina Kuntzsch, die ihre Zeichnungen von den Umrissen der Fenster im Raum für Video animierte und in hellen Linien auf dunklem Grund in vielfältigen Rhythmen durch den Raum tanzen ließ. Oder bei Kati Gausmann, die Linien aus feingespannten Fäden bündelte, die eine vibrierende Fläche erzeugten. Ihnen lag die Beobachtung des Horizonts zugrunde aus einer subjektiven Perspektive, leichte Schwankungen inbegriffen.
Die „Zeichenraum“-Reihe lebt auch von der Vernetzung der Künstlerinnen. Der Rahmen der Ausstellungen bildet im weiten Feld zwischen der Privatheit des Ateliers und der Öffentlichkeit einer Galerie etwas Eigenes, eine schöne Einladung zum Eintauchen in die Geflechte der Linien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“