Ausstellung zur Bauhaustapete: Bauhaus made in Osnabrück
Das Osnabrücker Kulturgeschichtliche Museum fragt in seiner Bauhaus-Ausstellung nach den lokalen Ankerpunkten eines globalen Phänomens.
Die monumentale Arbeit ist der zentrale Blickfang der Schau – und ein Suchbild: Angeblich zeigt es den Text, der auch seinen Titel bildet: „The shortest distance between two points ist no fun“. Ob es das wirklich tut, bleibt allerdings rätselhaft. Kuratorin Maren Waike-Koormann zeigt mit dem Arm: „Das da oben rechts ist ein S.“ Sie lächelt. „Ist natürlich ziemlich abstrakt.“ Ein S? Wirklich? Ja, doch, mit Fantasie. Rehbergers Text findet, wer nicht allzu sehr nach konkreten Buchstaben sucht.
Ein wenig rätselhaft bleibt auch, was Rehbergers Lob des Umwegs – übersetzt heißt das Bild ja in etwa: „Die direkte Verbindung macht keinen Spaß“ – zu tun hat ausgerechnet mit der programmatischen Geradlinigkeit des Bauhauses. Klarer ist dagegen ein anderer Zusammenhang: Rehberger hatte die Wahl zwischen genau 40 Texturen und 72 Farbtönen. Denn werkstofflich orientierte er sich an der diesjährigen Kollektion des legendären Modells „Bauhaus“ der Tapetenfabrik Rasch. Die hat ihren Hauptsitz nur 15 Zugminuten von Osnabrück entfernt und die Tapete „Bauhaus“ exklusiv im Programm – seit 1929.
Da ist es auch sinnfällig, wenn sich das Kulturgeschichtliche Haus im Osnabrücker „Museumsquartier“ (MQ4) ins Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ einreiht, das uns im laufenden Jahr bundesweit Hunderte Veranstaltungen beschert, von Hamburg bis Berlin, vom Filmprogramm bis zum Symposion. „Das Bauhaus ist ein globales Phänomen“, sagt Nils-Arne Kässens, Direktor des MQ4. „Bei uns entfaltet es sich lokal.“
„Bauhaustapete – neu aufgerollt“: bis 8. 12., Osnabrück, Kulturgeschichtliches Museum
Ohne Emil Rasch nämlich, der 1929 zu Bauhaus-Direktor Hannes Meyer nach Dessau fährt, auf Drängen seiner Schwester, die Bauhaus-Schülerin ist, gäbe es diese Tapete nicht – und also nicht, was heute als kommerziell erfolgreichstes Bauhaus-Erzeugnis gilt. Aber für wen ist dieses Detail der örtlichen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte etwas? An wen richtet sich eine Ausstellung, in der es um eine Tapete geht? Die Vertragsentwürfe und Zeitungsanzeigen zeigt, Tagebuchseiten und Briefe, Preismünzen und Webproben, Muster- und Lagerbücher, Farbfächer und Werbeprospekte?
Mehr noch: Die Avantgarde, der Walter Gropius 1919 mit der Gründung der legendären Weimarer Hochschule für Kunst und Handwerk den Weg bereitete, von der Architektur bis zum Produktdesign, ist generell ein sperriges Thema. Was für Intellektuelle mit Vorwissen über egalitäre Gesellschaftsentwürfe, über experimentelle Formensprachen. Und dann geht es auch noch um Friedrich Vordemberge-Gildewart, den hoch verkopften Osnabrücker Konstruktivisten, der für Raschs Bauhaustapete Reklametypograf war.
Verständlich also, dass Waike-Koormann viel daransetzt, Hemmschwellen abzubauen. Und das gelingt ihr. Der Titel ist augenzwinkernd. In Der Ausstellung: übermannshohe Fotowände und quadratmetergroße Jahreszahlen. Studierende des Kunsthistorischen Instituts der Universität Osnabrück haben private Gegenwartsobjekte mitgebracht, die sie ans Bauhaus erinnern: vom Klappmesser bis zur Espressokanne, vom Wellpappebett bis zum Eierbecher, vom Wasserkocher in fahlem Beige bis zum froschgrünen Küchenhäcksler. Mit dem Aufruf „Was schläft denn da in Omas Keller“ motivierte man zudem weitere Osnabrücker*innen, eigene Bauhaus-Objekte beizusteuern, vom Salzstreuer bis zur Teekanne.
Reicht das? Mit Ausstellungen wie „Blutsbrüder – Der Mythos Karl May in Dioramen“ hat das MQ4 jüngst eindrucksvoll gezeigt, wie sich Gesellschaftsgeschichte lebendig aufbereiten lässt. Bei einem vergleichsweise akademischen Thema wie der Bauhaustapete ist das schwieriger.
Dabei ist „Neu aufgerollt“ verdienstvoll, wenn es um Stil-, Epochen-, Handwerks- oder auch Wirtschaftshistorie geht. Auch die modulare Ausstellungsarchitektur in Bauhaus-Anmutung ist durchdacht. Waike-Koormann inszeniert ihr Material so spannend, wie es eben geht. Dieses Material setzt beim Publikum vor allem eins frei: Kopfarbeit. Aber das Thema Bauhaus/Rasch-Tapete ist eine planerische Altlast, übergeblieben aus den Tagen von Inge Jaehner, der Vorgängerin von Kässens. Und das merkt man.
Auf der anderen Seite ist da Klaus H. Schmincke: Der Osnabrücker Architekt und Designer, Künstler und Kunstsammler steuert als „Omas Keller“-Leihgeber einen Stahlrohr-Freischwingerstuhl S33 von Mats Stam bei, aus dem Jahr 1926; und einen kleinen Stahlrohrtisch von Marcel Breuer. Schminckes Zuhause ist eine Mischung aus Antik- und Bauhausmöbeln, der Mann hätte die Schau mit noch viel mehr versorgen können. Dann hätte Waike-Koormann allerdings anbauen müssen.
„Früher habe ich mich, wenn das erste Honorar eines größeren Auftrags eintraf, manchmal selber beschenkt, durch ein schönes Möbelstück“, sagt Schmincke. Seine Bauhausmöbel sind nicht nur Deko: „Ich benutze das alles täglich.“ Er möge das Minimalistische, sagt Schmincke: „Für uns Architekten und Designer gilt ja die Devise: Die Form folgt der Funktion. Und bei beiden Möbelstücken ist das hervorragend erfüllt.“ Architekten müssten sich „einfach mit Strömungen wie dem Bauhaus beschäftigen“, sagt er. „Wer das nicht tut, soll Bratwurstbuden bauen.“ Die Ausstellung und ihr Thema findet er herausfordernd: „Keine einfachen Sachverhalte.“
Nur knapp 15 Jahre hatte das Bauhaus Bestand, 1933 zwangen die Nationalsozialisten seinen gesamtkünstlerischen, hoch politischen Reformgeist in die Knie. Osnabrück, lernen wir, hat es durch ihn auf die Weltbühne geschafft. Ein verblüffendes, hier erzähltes Faktum, das nicht nur Bildungsbürger erreicht. Aber: Wäre „neu ausgerollt“ nicht sinniger gewesen?
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