Ausstellung zu Susanna-Motiv: Oh, Susanna im Bade
Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum beleuchtet sexuelle Gewalt in einem der ältesten Krimis der Kunstgeschichte: Susanna – Bilder einer Frau.
Sitzt eine Frau nackt im Garten ihres reichen Ehemannes. Gerade hat sie die Haushaltshilfe weggeschickt, um Badeessenz zu kaufen. Da kommen zwei alte Richter, tagelang haben sie sie schon gestalkt – und wollen Sex. Willigt sie nicht ein, soll sie wegen Ehebruch mit einem unbekannten Mann angezeigt werden. „Ich bin bedrängt von allen Seiten“, stößt Susanna einen berühmt gewordenen Seufzer aus. Weil sie standhaft bleibt, wird sie verleumdet und vor Gericht zu Tode verurteilt.
Doch Gott erweckt den Heiligen Geist im Propheten Daniel, in letzter Sekunde veranlasst dieser die getrennte Befragung der Richter, die sich in Widersprüche verwickeln: Hat es Susanna angeblich unter einer Eiche oder unter einem Mastixbaum getrieben? Schließlich werden die Richter wegen übler Nachrede gesteinigt, Susanna aber ist frei.
So in etwa steht es im 13. Buch Daniel im Alten Testament. Wie sich diese 2.000 Jahre alte Geschichte von Susanna im Bade als beliebtes Motiv durch Jahrhunderte der Kunstgeschichte zieht, bis hin zu Alfred Hitchcocks Film „Psycho“ und heutigen MeToo-Debatten, beleuchtet gerade eine faszinierende Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum.
Eins wird darin klar: Die Nackte im Garten war meistens erotische Erbauung – ein kleiner Mittelalter-Porno – und moralisches Entrüstungsinstrument zugleich. Und gerne auch eine schwülstige Warnung an frisch verheiratete junge Frauen, treu zu bleiben. Eheverträge wurden ihnen gern in Schatullen überreicht, auf denen die Geschichte der Susanna detailliert eingraviert war.
„Susanna – Bilder einer Frau vom Mittelalter bis MeToo“: Wallraf-Richartz-Museum, Köln, bis 26. Februar 2023. Katalog 39 Euro
Heimliche Mitschuld?
Dass Susanna bei allem Mitleid oft eine heimliche Mitschuld zugeschrieben wurde, sieht man schon im ersten Saal auf den vier Kupferstichen Heinrich Aldegrevers von 1555. Da sitzt die nackte Susanna geradezu öffentlich auf einem Platz herum, die Steine zu ihren Füßen ähneln jenen, mit denen ihre Fast-Vergewaltiger später erschlagen werden, als hätte sie es drauf angelegt. Auch ihr Lächeln später im Gerichtssaal erscheint eher fies, gar triumphierend. Und warum hatte sie im Gerichtssaal eigentlich geschwiegen?
Viele Großmaler aus den letzten Jahrhunderten von Peter Paul Rubens, über Édouard Manet bis Lovis Corinth – am Wallraff-Richartz-Museum sammelte man für die Schau prominente Leihgaben ein – lassen sie schreien und beten. Die Begierde der Männer erscheint brutal, drastisch. Der italienische Maler Pietro della Vecchia lässt 1650 die drei Alten Susannas Bein hochreißen, ihre Kleidung wegzerren, einer dringt mit gespreizten Fingern fast in sie ein – aber auch Susanna streckt die Finger seltsam verführerisch weg, als sei sie eine Kurtisane.
Victim blaming ist in der Ausstellung allgegenwärtig. Im Rokoko etwa neigte man dazu, das Verlangen der Alten zu verharmlosen, Susannas sexuelle Reize dagegen genüsslich auszuleuchten. Die Susanna eines Hendrick Goltzius von 1607 blickt zwar flehend zu Gott, hat die Hand aber auf ein Schmuckkästchen gestützt und räkelt sich fast schon lasziv auf den Stufen.
Auch als rassistische und antisemitische Verunglimpfung eignete sich das Motiv. Gerne werden die Alten als Schwarze, Juden oder Muslime dargestellt, fratzenhaft und gierig, während Susanna das unschuldige Christentum verkörpert. Manche Maler dagegen machen die Betrachtenden eines Bild schon selbst zu Tätern: Die Susanna von Francesco Hayez aus dem Jahr 1850 wendet sich zu uns, mit irritierend selbstbewusstem Blick – werden wir da zu Zeugen oder zu Voyeuren?
Susanna in „Psycho“
Die Ausstellung zieht ungewöhnliche Verbindungen, zum Film etwa. Alfred Hitchcock richtete seinen berühmten „Psycho“ von 1960 auf das Susanna-Motiv aus und verdeutlichte damit die direkte Konsequenz männlicher Gewalt gegenüber der Frau. Ein Bild der Badenden verdeckt das Guckloch, durch das Norman Bates in die Dusche seines weiblichen Mordopfers glotzt – die meistzitierte Szene der Filmgeschichte. Sein ganzes düsteres Motel ist mit Bildern gepflastert, die Erotik, Baden, Gewalt und Tod verbinden. Ein Grundriss des Filmsets, Szenenbilder und Storyboards sind ausgestellt.
Doch auch der weibliche Blick auf das Susanna-Motiv ist zu sehen. Die Barockmalerin Artemisia Gentileschi stellt diese 1610 mit eigener Persönlichkeit dar, widerständig und wehrhaft.
2018 gibt die New Yorker Künstlerin und Restauratorin Kathleen Gilje vor, das Gentileschi-Gemälde radiologisch durchleuchtet und dabei eine übermalte Schicht freigelegt zu haben, auf der die Bedrängte eigentlich mit einem Messer feministisch Widerstand leistet. Im letzten Raum der Ausstellung schließlich zeigen auch Bilder aus dem 17. Jahrhundert, wie Susanna Widerstand leistet, ihr Tuch zurückreißt, den Tätern in den Bart greift.
Überraschende, erhellende Blickwinkel ergeben sich in dieser aufregenden Schau und den klugen Motivgruppierungen. Sie macht direkt erfahrbar, wie sich Frauenrechte, moralische Standards, Repräsentation im Laufe der Zeit gewandelt haben. Bilder kommunizieren hier unmittelbar, Brisanz und Aktualität springen uns quasi direkt an, egal wie viele hundert Jahre die Entstehung eine dieser Susanna-Darstellungen zurückliegt.
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