Ausstellung über Wettstreit in der Kunst: Die Gunst der Eris

Wer kann am besten täuschen? Eine Wiener Ausstellung zeigt, wie der Wettstreit die Kunst der Antike und der Neuzeit antrieb.

Zwei halbnackte Frauen in Pelzmänteln, gemalt von Tizian und Peter Paul Rubens

Ähneln sich: Tizians „Mädchen im Pelz“ (links) und Peter Paul Rubens' „Helena Fourment“ Kunst: KHM-Museumsverband

Ohne Ansporn geht so gut wie nichts. Ausgestattet mit einem unerschöpflichen Überlebenswillen, schlagen wir uns durch, dem Schicksal hier und da ein Schnippchen, und besonders gern und einfallsreich die Konkurrenten aus dem Weg. Derart gepolt, suchen wir den Vergleich, nehmen Maß an den Leistungen anderer, wählen Vorbilder und treten mit ihnen in einen fruchtbaren, oft auch aussichtslosen, manchmal erbitterten Wettstreit.

Das Kunsthistorische Museum Wien hat mit der Ausstellung „Idole & Rivalen“ und am Beispiel von 120 herausragenden Werken ein Panorama zusammengestellt, das den künstlerischen Konkurrenzkampf von der Antike bis ins 18. Jahrhundert differenziert erzählend, nicht belehrend in den Blick nimmt.

Die Erzählung Plinius des Älteren von den griechischen Malern Zeuxis und Parrhasios ist das ausgehende Motiv. Wer von beiden konnte einen Gegenstand so naturgetreu darstellen, dass ein Tier, gar ein Mensch getäuscht würde? Des einen gemalte Trauben lockten die Vögel an, der andere forderte den Konkurrenten auf, den Vorhang vor seinem Werk beiseite zu ziehen. Was diesem nicht gelang, denn der Vorhang war gemalt.

Das Trompe l’œil, die perfekte Täuschung, viele Künstler spielten vor allem in der Renaissance mit prächtigen Stillleben und drapierten Vorhängen darauf an. Manchmal, auch Jahrhunderte später, mit Witz. Der amerikanische Maler Raphaelle Peale hat zu Beginn des 19. Jahrhunderts die zu allen Zeiten häufig dargestellte Göttin Aphrodite, dem Meer entsteigend, hinter einem weißen, täuschend „echten“ Tuch verborgen, lediglich ihr nasser Haarschopf und die nackten Füße auf einem Blütenteppich sind zu sehen.

Wettstreit führte zu innovativen Bildfindungen

Michelangelo war das Vorbild schlechthin (schließlich erhob ihn der „erste Kunsthistoriker“, Giorgio Vasari, noch zu Lebzeiten zum Maß aller). Annibale ­Caracci orientierte sich an dessen Pietà, Tizian mit seiner „Danae“ zu Michelangelos Unmut an der „Allegorie der Nacht“. Das Ganymed-Motiv, die Entführung des Hirtenknaben in den Olymp durch den von Jupiter entsandten Adler, griff Rubens, Michelangelo folgend, in hochbarocker Dramatik auf.

„Idole & Rivalen“. Künstlerischer Wettstreit in Antike und Früher Neuzeit. Kunsthistorisches Museum Wien, bis 8. Januar. Katalog 40 Euro

Malerei oder Skulptur? Der Wettstreit (Paragone) um die Rangfolge der Künste gab im 16. Jahrhundert beiden Gattungen Impulse und führte zu innovativen Bildfindungen der traditionellen Themen. Die Dreidimensionalität der Skulptur triumphierte, Maler wie Lorenzo Lotto nahmen die Herausforderung an. Er setzte einen renommierten Goldschmied sowohl in frontaler Ansicht als auch in linkem und rechtem Profil ins Bild.

Mehransichtigkeit? Bitte schön. Natürlich ging es auch immer um Überbietung, etwa beim Lehrer-Schüler-Verhältnis bei Rubens und van Dyck, vereinzelt jedoch um Zeichen der Wertschätzung. Andrea Mantegna und Giovanni ­Bellini waren verschwägert – und freundschaftlich verbunden. Sie setzten sich mit denselben Bildthemen und Stilelementen auseinander.

Ganz ähnlich die beiden Künstlerinnen Sofonisba Anguissola und die zwanzig Jahre jüngere Lavinia Fontana, die sich nach eigenem Bekunden geehrt fühlte, als man sie 1578 um ein Selbstporträt bat, das neben dem der älteren Berühmtheit hängen sollte. Allerdings inszeniert sich Lavinia als elegante, gelehrte Dame, während Sofonisba sich schlicht und hochgeschlossen mit einem Büchlein in der Hand präsentiert.

Spott und Schwermut

Eine arg makabre Überlieferung berichtet von Luca Gior­dano, dem auch Fa Presto genannten Barockmaler, er habe sich rivalisierend über die gemächliche Malweise seines Kollegen Carlo Dolci lustig gemacht. Der wurde bald darauf schwermütig und starb. Wirklich? Wie dem auch sei, der Vergleich beider Darstellungen der heiligen Rosalia belegt ihre Könnerschaft in der Bildgestaltung – und den unverkennbaren Gegensatz von Schwung und Sorgfalt.

Gudrun Svoboda, der Kuratorin, ist mit hervorragendem Material und Leihgaben etwa aus dem Louvre und dem Vatikan eine anschauliche Erzählung zum künstlerischen Wetteifer unterschiedlichster Couleur gelungen. Aber hätte nicht vielleicht, trotz strenger konservatorischer Vorbehalte, eine hellere Raumgestaltung ein zeitgemäßeres Raumerleben vermitteln können, ohne die erhabene Gestimmtheit zu verletzen?

Den Gepflogenheiten der Zeit folgt die Gelegenheit zum Voting per Eintrittskarte und Digitalstation in den Sälen. Sie animiert die Besucher und Besucherinnen zum schiedsrichterlich genauen Blick und mehr noch zur Überprüfung der eigenen Kriterien. Möge die Gunst von Eris, der Göttin des Wettstreits, mit ihnen sein. Sie ist in der wunderschönen Gestalt einer geflügelten jungen Frau anwesend – im Zentrum einer Trinkschale aus der Mitte des 6. Jahrhunderts vor Christus.

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