Ausstellung zu NS-Propagandafotos: Die Ästhetik des Rassismus
Eine Ausstellung zeigt NS-Propagandabilder von der „nordischen Rasse“. Die Fotos sollten die Idealvorstellungen der Nazis inszenieren.
Eine Speerwerferin mit blondem, bezopftem Haar, bekleidet mit weißem Trikot, blickt mit gespannten Augen dorthin, wohin ihr Sportgerät fliegen soll. Andere junge Damen in ähnlicher Ausstattung spielen mit einem Ball, wieder andere sind mit gymnastischen Übungen beschäftigt. Streng drein blicken die athletischen jungen Männer, ob mit oder ohne Speer, wenn sie laufen oder ihre Glieder dehnen. Doch Herren sind in dieser Ausstellung eher selten zu finden, denn die Männer waren ab dem Spätsommer 1939 als Modelle äußerst rar geworden, hatte man sie doch zum Kriegsdienst eingezogen.
Es sind für heutige Augen merkwürdige Fotos, die die Topographie des Terrors in einer Sonderausstellung präsentiert. Doch vor 75 Jahren repräsentierten die Dargestellten die von der NS-Führung postulierte „nordische Rasse“, die es zu erneuern gelte. Sie sollten nicht nur ein Vorbild in der Physiognomie darstellen, sondern standen auch für die Idee von einer überlegenen Rasse.
Das war entschieden mehr als nur Propagandasülze: Angesichts der Vorstellungen niedriger, gar „lebensunwerter“ Rassen, die es zu bekämpfen und zu vernichten galt, stellten die gestählten Körper den Gegenpol der „gesunden Rasse“ dar. Diese „Schönheiten des Weibes“ dienten dem „Ausleseblick des Mannes“ für eine erfolgreiche „Zucht“. Ohne diese Polarisierung zwischen niedrigeren „Rassen“ und der hochwertigen eigenen hätte der ganze Wahnsinn der Rassenlehre und seiner Folgen gar keine Grundlage gehabt.
Nur in zwei Vitrinen werden diese Fotos so nackt wie die aufgenommenen Komparsen vorgestellt. Die Schautafeln dagegen präsentieren sie in ihrem historischen Zusammenhang: als Illustration zu rassistischen Büchern und Zeitschriften, allen voran in Odal, der „Monatsschrift für Blut und Boden“. Herausgegeben wurde dieses Werk vom Reichsbauernführer und Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Walther Darré. Dieser zählte, obwohl 1942 in Ungnade gefallen, zu den eifrigsten Rassisten der NS-Bewegung, der schon früh die Überzeugung vertrat, die deutschen Bauern seien dazu auserkoren, Führer der „nordischen Rasse“ zu werden.
„Im Dienst der Rassenfrage“: Propagandafotografien im Auftrag des Reichsministers R. Walther Darré. Stiftung Topografie des Terrors, Berlin. Bis 8. April 2018, Eintritt frei (Katalog 12 Euro).
Überzeugt von der rassistischen Mission
Darré war es auch, der die Fotos initiiert hatte. Auf der Burg Neuhaus bei Wolfsburg hatte er die Reichsschule des Reichsnährstandes für Leibesübungen begründet, wo junge Bäuerinnen und Bauern zur künftigen Elite der Bauernschaft herangebildet werden sollten. Schließlich hatten die NS-Rassisten noch einiges mit ihnen vor: Sie sollten als Wehrbauern den eroberten Osten besiedeln und eindeutschen, während die Russen, Polen und Juden zu verschwinden hatten.
Die Lehre der bäuerlichen Eliterasse musste selbstverständlich über die Burgmauern hinaus verkündet werden, und dazu bot sich die Wiener Fotografin Anna Koppitz an. Ähnlich Riefenstahls Ästhetik schuf sie einen Großteil der Fotos, bei denen die jungen Teilnehmerinnen von Neuhaus Modell standen. Dabei war auch Koppitz, wiewohl kein eingeschriebenes NSDAP-Mitglied, von ihrer rassististischen Mission überzeugt, wie Briefe aus ihrem Nachlass bezeugen, die erst jüngst dank der Recherchen des österreichischen Photoinstituts Bonartes bekannt geworden sind.
Mit der Topographie des Terrors hat die Ausstellung nun einen würdigen Ort gefunden. Dort, wo die furchtbaren Folgen der NS-Ideologie mit ihren Folterzellen besichtigt werden können, ist nun auch die andere Seite der Medaille zu sehen: der positiv gewendete Rassismus, der Holocaust und Eroberungskrieg zur Grundlage diente.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen