Ausstellung über Soziales Design: Wenn Kunst durch den Magen geht
Wie bringt man Menschen zusammen? Die Ausstellung „Social Design“ sucht im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe nach Strategien, Gemeinschaft zu stiften.
Die Antwort darauf läuft zwar nicht grundsätzlich über den Magen, sondern übers Design. Aber eben mitunter auch über ein Design, das mit Essen zu tun hat, wie im Architekturentwurf für die Brüsseler Markthalle Foodmet, die helfen soll, die auseinanderfallende Gesellschaft der belgischen Hauptstadt zu integrieren.
„Social Design“ bedeutet in diesem Sinne: Gestaltung für die Gesellschaft, in zunehmendem Maße allerdings auch Gestaltung mit der Gesellschaft. Ein kollektiver Geist zeichnet einen Großteil der Projekte aus, die Gestaltung von Dialog und Partizipation ist wichtiger als das Design eines Produkts.
Über fünf Kapitel (Urbaner Raum und Landschaft, Migration, Produktion, Netzwerke und Umwelt) werden Initiativen vorgestellt, die für sich genommen interessante Projekte anstoßen und teilweise wie die Nichtregierungsorganisation „One Laptop Per Child“ auch durchaus kontrovers diskutiert werden.
Gestalten in Gesellschaft
Im Museum aber sind das bloß Schautafeln, Wände, auf denen viel Text steht, einzelne Fotos und manchmal ein Video. Nichts, das etwa eine Website nicht auch darstellen könnte. Die Aufteilung aber ist stimmig, weil sie verdeutlicht, wie unterschiedliche Aspekte unterm Label „Social Design“ zusammengedacht werden können, egal, ob es sich um Initiativen, Firmen oder Einzelpersonen handelt.
Die dänische Firma Gehl Architects etwa entwickelt in der chinesischen Megastadt Chongqing Strategien, um den nahezu ausschließlich nach den Bedürfen des Autoverkehrs strukturierten Stadtraum für die Bevölkerung zurückzugewinnen, mit Mikroeingriffen wie Aufenthaltszonen auf den Straßen, aber auch mit großformatigen Aktionen wie dem Bau einer Metrolinie.
Solch eine Großinitiative steht neben dem winzigen Modelabel „Vagabunt Hamburg“, das Straßenkindern, Mädchen mit Gewalterfahrung und jugendlichen, unbegleiteten Migrant*innen die Möglichkeit zu sinnstiftender Tätigkeit gibt. Dass diese Projekte als unterschiedliche Ausprägungen einer Gestaltung des Miteinander vergleichbar sind, zeigt „Social Design“ unspektakulär, aber mustergültig.
Unspektakulär, aber mustergültig
Allerdings können die präsentierten Projekte einen Schweiz-Schwerpunkt nicht verhehlen. Die Wohnbaugenossenschaft Kalkbreite etwa mag die sozialen Verwerfungen in Zürich sinnvoll abmildern. Das allerdings ist ein Prozess, der typisch ist für genossenschaftliches Bauen; was tatsächlich zeigenswert ist an dem architektonisch ansprechenden Block, sagt die Ausstellung nicht.
Klar, „Social Design“ ist ähnlich wie die 2012er-Ausstellung „Endstation Meer“ für Zürich konzipiert und wurde in Hamburg nur mit wenigen Exponaten angereichert. Und schon bei „Endstation Meer“ stand man etwas ratlos vor Schweizer Statistiken, die sich nur mit einiger Abstraktionsleistung auf deutsche Verhältnisse übertragen ließen, während die wenigen Hamburger Beispiele den Charakter von Lückenbüßern hatten.
Auch „Social Design“ verlangt nach Abstraktion: Das Holzgeschirr des Ateliers Chalamala etwa wird in einer Behindertenwerkstadt im schweizerischen Bulle produziert und nimmt ästhetisch Bezug auf die kulinarischen und kulturellen Gegebenheiten im voralpinen Greyerzerland – aber natürlich können solche Projekte auch andernorts initiiert werden.
Einfach mal losgehen
Unter dem Titel „Hic et Nunc“ entwickeln Studierende an der Zürcher Hochschule der Künste ästhetische Strategien zur Vernetzung und Vergemeinschaftung von Asylbewerber*innen, konkret in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Zürich-Oerlikon – aber natürlich sind die hier gewonnenen Erkenntnisse nicht auf die Schweiz beschränkt.
Zumal die Ausstellung eben nicht nur sechs Hamburger „Social Design“-Projekte vorstellt, winzige Initiativen wie die im HfbK-Umfeld entstandene „Öffentliche Gestaltungsberatung“ ebenso wie das mittelgroße Unternehmen More Than Shelters.
Ausstellung bis 27. Oktober 2019, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
Zudem entsteht auf der Website des Museums nach und nach eine interaktive Karte, die weitere „Social Design“-Aktivitäten in der Hansestadt auflistet. Man könnte also einfach losziehen und sehen, was so geht – rein von den Schauwerten her dürfte das ein wenig mehr hergeben als die ehrenwerte aber doch extrem trockene Museumspräsentation.
Um Menschen zusammenzubringen, mag das Essen ein Türöffner sein. Aber Trockenheit beim Essen ist, um im Bild zu bleiben, auch nicht optimal.
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