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Außenexpertin über G20-Gipfel in Indien„Dahinter kann man nicht zurück“

Der Erfolg von G20 bemisst sich am Umgang mit dem russischen Angriffskrieg. Eine gemeinsame Abschlusserklärung sei wichtig, sagt Claudia Schmucker.

Werbung für den Gipfel in Neu Delhi Foto: Manish Swarup/ap
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Frau Schmucker, welche Bedeutung hat G20 in einer sich neu formierenden Weltordnung und einer Vielzahl anderer Bündnisse wie Brics Plus?

Claudia Schmucker: Eine wirklich große. Die G20 sind der einzige Club, in dem Entwicklungsländer, Industrieländer und aufstrebende Schwellenländer an einem Tisch sitzen und auf Augenhöhe diskutieren.

Im Interview: Claudia Schmucker

leitet das Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der DGAP. Bis 2020 leitete sie das Programm Globalisierung und Weltwirtschaft.

Aber die G20 können nichts entscheiden.

Die G20 können die Agenda setzen und sich selbst zu Handlungen verpflichten. Aber in der jetzigen angespannten geopolitischen Situation sind die G20 vor allem dazu da, mehr Verständnis füreinander zu wecken, Konflikte zu entspannen und konstruktiv miteinander zu reden. Im vergangen Jahr haben sich dazu der amerikanische Präsident Joe Biden und Chinas Präsident Xi Jinping am Rande des Gipfels in Bali getroffen.

Wie gravierend ist die Absage von Xi in diesem Jahr?

Der Gipfel von Bali war ein Erfolg, weil es gelungen ist, sich auf eine gemeinsame Erklärung zum russischen Angriffskrieg zu einigen und ihn zu verurteilen. Dahinter kann man eigentlich nicht mehr zurück. Wenn Xi nicht kommt, kann das heißen, dass er nicht mehr bereit ist, diese Art von Erklärung noch einmal mitzutragen. Das ist ein großes Problem für die G20, aber auch für Indien als Gastgeber. Die Absage ist auch ein Affront gegenüber Indien.

Wäre der G20-Gipfel ohne eine gemeinsame Abschlusserklärung, in der Russlands Angriffskrieg verurteilt wird, gescheitert?

Der Erfolg oder der Misserfolg des G20-Gipfels wird sich danach bemessen, wie die G20 mit dem russischen Angriffskrieg umgehen. Klar, es gibt eine lange Agenda zu Klima, Wirtschaft und Entwicklung. An diesen Themen wird auch gearbeitet. Aber man wird sich nicht auf große Fortschritte einigen können, solange man nicht über den russischen Angriffskrieg spricht und dort eine Einigung findet.

Und Sie sind skeptisch?

Ja. Ich hoffe aber natürlich, dass es gelingt.

Was kann der Westen tun, damit der Gipfel ein Erfolg wird?

In dem Moment, wo die Präsidenten Chinas und Russlands nicht teilnehmen, steigt das Gewicht der EU und der USA. Der sogenannte Westen hat jetzt die Aufgabe, auf die Entwicklungsländer zuzugehen und unsere Agenda für eine multipolare Weltordnung anzubieten.

Was hat der Westen denn anzubieten?

Es geht zum einen um nachhaltige Unterstützung, etwa beim Aufbau von Infrastruktur. Wir müssen zweitens bereit sein für Reformen von Internationalen Organisationen, wie Internationaler Währungsfonds, Weltbank oder UN. Die EU muss sich dafür einsetzen, dass Entwicklungs- und Schwellenländer dort besser repräsentiert sind. China schafft es derzeit, diese Länder für sich zu gewinnen, indem sie ihnen Allianzen gegen die „US-Hegemonie“ anbietet. Der dritte wichtige Punkt ist die Entschuldung. Dazu braucht man wiederum China als Partner.

Die G20 werden voraussichtlich beschließen, die Afrikanische Union als ständiges Mitglied aufzunehmen. Ein guter Schritt?

Das ist lange überfällig. Zur G20 gehört außer Südafrika kein afrikanisches Land. Eine regionale Organisation aufzunehmen, die für mehrere afrikanische Staaten spricht, wäre ein großer Schritt.

Kann sich das neue Brics-Plus-Format mit Ländern von Argentinien bis Saudi-Arabien, das stark von China und Russland bestimmt wird, zur Konkurrenz der G20 entwickeln?

Die Erweiterung ist vor allem ein starkes symbolisches Signal. Es gibt aber kaum Themen, bei denen diese Länder einheitlich auftreten, außer dass sie gegen die Hegemonie der USA sind und mehr Repräsentanz in internationalen Organisationen verlangen. Sie verfolgen unterschiedliche wirtschaftliche, diplomatische und politische Ziele. Indien nähert sich zum Beispiel stark dem Westen an, die Beziehungen zu den USA sind so eng wie lange nicht. Und auch die EU hat eine Charmeoffensive gegenüber Indien gestartet.

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4 Kommentare

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  • Warum ist eine Stellungsname gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine der Schwellen- und Entwicklungsländer für den Erfolg oder Misserfolg des G20 wichtig?



    Denn Industriestaaten geht doch auch abhängig von ihrer Interessenlage so mancher Konflikt am Allerwertesten vorbei oder haben sogar ihre Finger im Spiel. Schon ein bissl scheinheilig.

    • @Andreas J:

      Im Gegensatz zu Konflikten in Südostafrika, liegt der Ukraine - Krieg an der NATO Grenze, und es ist klar, daß die Faschisten im Kreml mehr wollen als die Ukraine, wenn man sie nur lässt.

      • @Okti:

        Das ändert nun was für die Schwellen-und Entwicklungsländer? Zeigen wir etwa Verständnis für die Putsche mit denen sich Afrikanische Länder vom europäischen Neokolonialismus befreien wollen? Was hat uns der Krieg im Kongo interessiert solange die Rohstoffe fliesten? Ruanda, Somalia oder Sudan? Haben wir jemals Südamerika unterstützt, das von unserem verbündeten der USA unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Kommunismus mit Krieg und Terror überzogen wurde?



        China und Russland sind durchaus Alternativen für diese Länder. Ob wir das gut finden oder nicht. Unsere westlichen Werte gelten auch nur für uns und nicht für den Rest der Welt.

        • @Andreas J:

          Sie haben eine Frage gestellt warum das so ist, und ich habe Ihnen geantwortet. Nirgendwo sagte ich, dass ich das neo-kolonialistische Verhalten des Westens in irgendeiner Weise gut finde. Scheinheiligkeit ist ohnehin ein Kernaspekt der westlichen Oligarchien. 🤷‍♂️