Ausschuss zur Ibiza-Affäre in Österreich: Wenig Interesse an der Wahrheit
Der U-Ausschuss hat den früheren FPÖ-Politiker Strache vernommen. Eine Aufklärung ist aber kaum zu erwarten.
W er sich vom Auftritt Heinz-Christian Straches vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss einen Knalleffekt erwartet hat, weiß nicht wie parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Österreich funktionieren. Die Befragten stehen zwar unter Wahrheitspflicht, doch können sie sich der Aussage „entschlagen“, wie es im österreichischen Juristendeutsch heißt. Nämlich dann, wenn sie sich für ein Strafverfahren belasten könnten.
Und da in Zusammenhang mit Korruption, Käuflichkeit und verdeckter Parteienfinanzierung noch immer gegen den ehemaligen FPÖ-Chef ermittelt wird, hat er von diesem Recht sehr ausgiebig Gebrauch gemacht. Dasselbe trifft auf seinen Kumpan Johann Gudenus zu, der bei den mutmaßlichen Korruptionsanbahnungsgesprächen, die im Ibiza-Video dokumentiert sind, gedolmetscht hat. Auf entscheidende Fragen will er nichts sagen oder zeigt auffällige Gedächtnislücken.
Befragt werden die Auskunftspersonen von Abgeordneten aller im Parlament vertretenen Parteien, die naturgemäß unterschiedliche Interessen vertreten und zum Teil an echter Aufklärung wenig Interesse zeigen. Entsprechend suchen sie dann oft vom Thema abzulenken. Vor allem die ÖVP zeigt sich als Meisterin im Zünden von Nebelgranaten. So auch schon zum Auftakt des U-Ausschusses am Donnerstag. Wenn dann nach monatelangem Wirken der Schlussbericht verfasst wird, kommt meist nichts heraus, was eine Schlagzeile in den Zeitungen rechtfertigen würde.
Verfahrensrichtern Ilse Huber will die Konsequenzen aber nicht unterschätzen: „Ich sehe in der Aufklärungsarbeit eine große generalpräventive Wirkung“. So habe der Eurofighter-U-Ausschuss, der keine konkrete Korruption nachweisen konnte, dazu geführt, dass bei künftigen Rüstungsbeschaffungen keine Lobbyisten zwischengeschaltet werden.
Huber habe auch von Abgeordneten gehört, „dass es für Gesetzgebungsorgane relevant ist, was der Ausschuss macht. Sie lernen, was man strukturell verbessern kann“. Vielleicht erreicht ja der eben eingesetzte Ibiza-Ausschuss in seinem zwölfmonatigen Wirken, dass die Gesetze zur Parteienfinanzierung so verschärft werden, dass Umgehungsgeschäfte über parteinahe Vereine nicht mehr funktionieren.
Und vielleicht wird eine öffentliche Debatte über die unselige Praxis ausgelöst, dass Posten im staatsnahen Bereich nicht länger nach der Farbe des Parteibuchs, sondern nach der fachlichen Qualifikation besetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen