Ausschuss-Sitzung zur Corona-Lage: „Es wird sich jeder infizieren“

Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) räumt im Parlament Schwächen ein. Eine Kapitulation vor Corona, wie sie die Linke sieht, bestreitet sie aber.

Das Bild zeigt Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote mit einer FFP2-Maske.

Masketragen hilft t auch – Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) macht es vor Foto: Emmanuele Contini/imago images

BERLIN taz | Viel hat die Gesundheitssenatorin an diesem Mittwochnachmittag schon ganz offen eingeräumt und zugegeben. Dass es Pannen bei Kommunikation und Abstimmung gab, als die Präsenzpflicht in den Schulen aufgehoben wurde, bestätigt die immer noch neue grüne Ressortchefin Ulrike Gote im Gesundheitsausschuss des Parlaments. Und auch, dass die Lage der Genesenen bei der 2Gplus-Regel „sehr unbefriedigend“ sei. In einem Punkt aber widerspricht sie klar: Die jüngsten Änderungen beim Testen und bei der Quarantäne seien eben keine Kapitulation. Das hatte zuvor Tobias Schulze von der Linkspartei so formuliert. „Es ist das Akzeptieren von Fakten“, sagt Gote, „aber wir tun ja was und lassen es nicht einfach laufen.“

Gerade mal seit einem Monat und fünf Tagen ist Gote im Amt, die Sitzung des Gesundheitsausschusses ist erst die zweite für die Grünen-Politikerin. Die zweite als Senatorin, ist da hinzuzufügen. Denn an diesem Mittwoch zeigt sich, was schon bei Auftritten vor dem gesamten Abgeordnetenhaus zu beobachten war: Auch wenn sich Gotes Exekutiverfahrung auf zwei Jahre in der Kasseler Stadtregierung beschränkt, so ist da doch ein sehr redegewandter Politprofi mit 20 Jahren bayerischer Landtagserfahrung in den Senat gekommen. Und zwar in einem Landtag, in dem die Grünen nicht der Mehrheit angehören und sich als die eigentliche Opposition an der dauerregierenden CSU abzuarbeiten haben.

Die Situation, die Gote im Ausschuss zu erklären hat, ist weiterhin nicht einfach. Zu vielen in Berlin, auch bei den Abgeordneten, bleibt unklar, wann welcher Test nötig ist und ob es nun gar keine Quarantäne mehr für Kontaktpersonen in den Schulen gibt und wie es grundsätzlich weitergeht. Dutzende von Fragen haben die Ausschussmitglieder, die – was nicht immer so ist – an diesem Nachmittag fast durchweg auf Informationen und klare Ansagen drängen, statt Co-Referate zu halten. Dass Gote wegen der neuen Regeln oder Pläne für Quarantäne und Tests von einem „Strategiewechsel“ spricht, beschreibt die Lage aus Sicht der CDU-Fraktion allerdings nicht wirklich: So richtig strategisch habe das in den letzten Wochen nicht gewirkt.

Ansonsten beschönigt Gote wenig in Sachen Omikron, das nach ihren Zahlen unter den Corona-Infektionen diese Woche eine Verbreitung von 97 Prozent erreicht hat: „Wir sollten nicht so tun, als hätten wir die Möglichkeit, es noch zu stoppen.“ Von Durchseuchung mag sie anders als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD nicht sprechen – „ich finde das Wort furchtbar“. Aber inhaltlich stimmt sie zu: „Es wird sich jeder infizieren, das müssen wir zur Kenntnis nehmen“, sagt sie und schiebt hinterher: „Die Gefahr ist zumindest da.“

Fragen zu Tests sind noch offen

Nicht zu kapitulieren heißt für sie auch, daran zu erinnern, was die Ausbreitung von Omikron zumindest verlangsamen kann: FFP2-Maske, Abstand, weniger Kontakte – „es ist so banal, aber es ist das, was in der angespannten Lage hilft“.

Gote räumt selbst ein, dass noch offen ist, was bei einer Priorisierung der Tests den PCR-Test zum Bestätigen einer Infektion oder zum Freitesten aus Isolation und Quarantäne ersetzen soll: Sind ein oder zwei Schnelltests dafür nötig? Wer stellt die entsprechende Bescheinigung aus? Klar ist für die grüne Senatorin, dass Letzteres nicht, wie von der Bundesregierung gewünscht, die Gesundheitsämter leisten könnten – das würden auch die Gesundheitsminister in den anderen Bundesländern so sehen.

Der Senat will laut Gote die Apotheken damit betrauen, aber möglicherweise würden auch die Testzentren selbst diese Aufgabe übernehmen können. Am Montag wird sie mit den anderen Ministern wieder konferieren, ein Vorschlag soll dabei herauskommen. Mit dem wollen sich, so hat es Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) angekündigt, die Ministerpräsidenten Mitte Februar befassen – just der Zeitpunkt, zu dem die Omikron-Welle ihren Höhepunkt erreichen soll.

Offen gesteht Gote auch ein, dass der Senat bislang mit seiner Strategie zu einer höheren Quote bei den Erstimpfungen gescheitert ist. 80 Prozent hatte Giffey vor drei Wochen als Ziel bis Ende Januar ausgegeben. Doch die damalige Quote von 75,3 Prozent wuchs seither nur um 1,3 Prozentpunkte auf 76,6. Die von Giffey angeschobene Vor-Ort-Strategie mit aufsuchendem Impfen, auch in Familienzentren, zieht laut Gote bislang nicht: „Das sind große Anstrengungen mit relativ geringer Wirkung“, sagt die Senatorin und will doch weiter daran festhalten, auch wenn es nur in kleinen Schritten vorwärts gehe. Helfen soll auch eine „große Impfkampagne“ der Bundesregierung, 60 Millionen Euro teuer, die Gote ankündigt.

Für die Lage an den Schulen erklärt sie auf SPD-Nachfrage aus dem Ausschuss hin noch mal, was sie tags zuvor nach der Senatssitzung bereits mit Giffey ausführte: dass in den Schulen Kontaktpersonen von Infizierten nicht mehr nach Hause und in Quarantäne geschickt würden. Nun fügt sie noch hinzu: „Quarantäne ist nicht verboten, sie wird nur nicht mehr vom Gesundheitsamt ausgesprochen“ – wenn Eltern sich unsicher fühlten, können sie aus Gotes Sicht ihre Kinder einige Tage zu Hause lassen und weiter testen.

Mit Bezug auf eine kritische Anmerkung aus den Reihen der CDU, dass Deutschland beim Testen auf dem viertletzten Platz in Europa liege, mag Gote allerdings den Wert von Tests nicht überbewerten: Hätte noch mehr testen, testen, testen wirklich mehr gebracht?, fragt sie in den Raum – „ich meine, ehrlich gesagt, nicht“.

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