Ausschreitungen im Westjordanland: Die Gewaltspirale dreht sich weiter
Zwei Palästinenser töten einen israelischen Siedler im Westjordanland. Im Norden schmeißen israelische Siedler Steine auf palästinensische Autos.
Wieder Gewalt im Westjordanland: Zwei Palästinenser haben am Dienstagnachmittag einen israelischen Siedler an der Gush Etzion Junction nördlich von Hebron erstochen. Weitere drei Menschen sind dabei verletzt worden. Die Täter sind laut einer Rekonstruktion des israelischen Militärs zunächst mit erhöhter Geschwindigkeit in Richtung einer Menschengruppe gefahren. Anschließend soll einer der Männer ausgestiegen sein und mehrere Passanten mit einem Messer attackiert haben.
Sicherheitskräfte haben beide Angreifer – die später als zwei 18-jährige Palästinenser aus Hebron und dem benachbarten Dorf Beit Ummar identifiziert wurden – bereits am Tatort erschossen. Eine der Verletzten hat wohl aus Versehen die israelischen Soldat*innen angeschossen.
Lange war der Verkehrskreisel Gush Etzion im südlichen Westjordanland ein Siedepunkt für die Unruhen im Lande. Immer wieder kam es hier in den vergangenen Jahren zu tödlichen Angriffen. Er liegt beim Highway 60 zwischen mehreren Siedlungen, einigen palästinensischen Farmen und, etwas weiter südlich, einem Geflüchtetenlager. Hier wurden indes ebenso Friedensprojekte gestartet: Initiativen für Koexistenz von Israelis und Palästinensern, Geschäfte mit gemischtem Personal.
Michael Friedrich, ein deutscher Zivilist aus Hamburg, der sich gerade auf Besuch in Hebron befindet, sagte der taz am Mittwoch: Nach der Beerdigung des Siedlers habe große Angst vor Repressalien in der palästinensischen Gemeinschaft geherrscht. Die Nacht sei jedoch „überraschend ruhig“ verlaufen.
Gewalt am Checkpoint
Später am Abend soll sich die Gewalt jedoch in den Norden verlegt haben: Am Checkpoint Za’tara südlich von Nablus sind laut Medienberichten palästinensische Autos mit Steinen von israelischen Siedlern angegriffen worden. Videos, die nicht unabhängig überprüft werden können, zeigen ein Auto mit gesprungenen Fenstern und Frontscheibe sowie eine lange Schlange von Fahrzeugen, die mit eingeschalteten Scheinwerfern in der Dunkelheit auf einer Hauptstraße stehen.
Ob beide Vorfälle miteinander verbunden sind, ist unklar. Das israelische Militär teilte auf Nachfrage mit, es habe keine Informationen über einen Angriff an dem Checkpoint und verwies an die israelische Polizei, die wiederum an das Militär zurückverwies.
Derzeit ist die Lage im gesamten Westjordanland höchst angespannt: Im Oktober haben die Vereinten Nationen so viele Angriffe durch Siedler auf Palästinenser verzeichnet wie noch nie in einem Monat seit 2006. Selbst Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte die Gewalt am Montag öffentlich missbilligt, nachdem Siedler Wohnungen und Wagen im palästinensischen Dorf Jab’a in Brand gesteckt hatten.
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