Ausschreibung von Windkraftanlagen: Niemand will sie haben
Zum ersten Mal ist eine Ausschreibung für den Betrieb von Windanlagen im Meer gescheitert. Den Investoren sind die Risiken zu hoch.

Kommt der Ausbau der Windkraft im Meer, der sogenannten Offshore-Windenergie, ins Stocken, ist das schlecht für die Energiewende weg von fossilen Brennstoffen. Wegen der relativ konstanten Luftbewegungen im Meer liefern die Offshore-Windräder sehr zuverlässig Strom. Nach jetzigem Stand sollen im Jahr 2030 mindestens 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Bis dahin sollen Offshore-Windanlagen mit einer Kapazität von 30 Gigawatt entstehen. Die Branche rechnet allerdings schon einige Zeit damit, dieses Ziel erst 2031 zu erreichen.
Zurzeit stehen in der deutschen Nord- und Ostsee 1.639 Windanlagen mit einer Kapazität von 9,2 Gigawatt. Nach Angaben des Branchenverbands Windenergie Offshore sind weitere knapp 80 Anlagen mit einer Kapazität von rund 1 Gigawatt fertig, liefern aber keinen Strom, weil sie nicht ans Netz angeschlossen sind. Die beiden Windflächen, für die sich kein Bieter fand, sollten 2030 und 2031 in Betrieb gehen. Die Bundesnetzagentur wiederholt die Ausschreibung nun mit dem neuen Gebotstermin 1. Juni 2026.
Stefan Thimm, Branchenverband Windenergie Offshore
Nach Auffassung des Verbands Windenergie Offshore ist es nicht überraschend, dass die Ausschreibung ins Leere gelaufen ist. „Dass sich bei dieser Auktion kein einziges Unternehmen beteiligt hat, ist ein Scheitern mit Ansage“, sagte Geschäftsführer Thimm. Die Branche warne seit Langem davor, den Unternehmen zu viele Risiken aufzubürden.
Kosten gestiegen
Das Problem aus Sicht der Branche: In den vergangenen Jahren sind die Risiken und Kosten für Offshore-Projekte stark gewachsen. Weil etwa die Preise für Rohstoffe gestiegen sind, sind die Baukosten höher. Sinkende Strompreise könnten dazu führen, dass die Erwartungen der Investoren nicht erfüllt werden – weshalb sie im Zweifelsfall kein Geld in neue Anlagen stecken. Auch die politischen Risiken sind derzeit hoch: Es ist unklar, ob die schwarz-rote Bundesregierung an den Ausbauzielen für die erneuerbaren Energien und damit für die Offshore-Windkraft festhält. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) lässt zur Zeit ein Gutachten erstellen, ein Energiemonitoring, das Grundlage für weitere Entscheidungen zum Ausbau oder Anhalten der Energiewende sein soll.
Um mehr Investitionssicherheit zu bekommen, fordert die Branche von der Bundesregierung die Einführung sogenannter Contracts-for-Difference-Verträge. Dabei sichert der Staat einen Mindestpreis für Strom. Überschreitet der Preis eine festgelegte Höhe, schöpft er diesen Gewinn ab. Banken erhalten so die nötigen Sicherheiten, um Investitionen zu finanzieren. „Ohne diese Reform könnten weitere Ausschreibungen scheitern – und mit ihnen die Energiewende“, warnte Thimm.
Nicht wirtschaftlich genug
Nach Auffassung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist die geringe Wirtschaftlichkeit der ausgeschriebenen Flächen in der Nordsee ein Problem. Wegen der vorgesehenen Dichte der Anlagen und der damit verbundenen Windverschattung sei der Ertrag gering. Allerdings war schon bei vorherigen Ausschreibungen für Offshore-Projekte im Juni das Interesse von Bietern gering. Auch der BDEW fordert die Einführung von Contracts-for-Difference-Verträgen.
Bundeswirtschaftsministerin Reiche erklärte zu der gescheiterten Ausschreibung, möglicherweise seien die Risiken für das ausgeschriebene Gebiet unterschätzt worden oder Investoren würden durch mögliche negative Strompreise abgeschreckt. In Großbritannien habe es auch schon einmal eine Auktion ohne Bieter gegeben. Dort hätten die verantwortlichen Stellen die Ausschreibung nachgeschärft. „Es wäre sicherlich gut, wenn die Bundesnetzagentur einen Blick über den Kanal wirft und gegebenenfalls die Ausschreibungsbedingungen anpasst“, sagte sie. Es sei wichtig, das Potenzial der Offshore-Windkraft nicht zu verschenken.
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