Ausschreibung für Elbvertiefung gestartet: Die heiße Phase beginnt heimlich

Obwohl die Planfeststellung für die Elbvertiefung noch gar nicht abgeschlossen ist, suchen die Planer bereits europaweit nach Schwimmbaggern.

Ein Schwimmbagger in einem Hafenbecken.

Matschige Angelegenheit: Schwimmbagger wie dieser sollen die Elbe tiefer legen Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Heimlichtuerei ist groß. In aller Verschwiegenheit hat das Wasserstraßen- und Schiff­fahrtsamt (WSA) des Bundes in Cuxhaven die EU-weite Ausschreibung für die Ausbaggerung der Elbe gestartet. Bis zum 17. August um 10 Uhr können interessierte Unternehmen ihre Bewerbung samt Preisvorstellung abgeben.

In dem „nichtoffenen Verfahren“ sind „aus Gründen der Vertraulichkeit die Vergabeunterlagen nicht frei zugänglich“, heißt es auf dem Deckblatt der Unterlagen. Der Auftrag aber ist klar: „Fahrrinnenanpassung Unter- und Außenelbe für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe“.

Damit wird mehr als ein Jahrzehnt nach dem Beginn der Planungen für die neunte Elbvertiefung (siehe Kasten) die heiße Bauphase eingeläutet. Und das, obwohl es noch gar kein vollziehbares Baurecht für das Großvorhaben gibt. Nach taz-Informationen soll der notwendige Planfeststellungsbeschluss aber noch in diesem Monat erlassen und der „Sofortvollzug“ der Maßnahme angeordnet werden. Somit könnten die Buddelschiffe ihre Arbeit aufnehmen – wenn sie denn verfügbar wären.

Die wenigen großen Schwimmbagger in Europa sind in der Regel langfristig ausgelastet. Von heute auf morgen kann kein Baggerunternehmen mal so eben Großbagger wie „Odin“, der mit seinen 57 Ketteneimern bis in 20 Meter Wassertiefe buddeln kann und schon mehrmals im Hamburger Hafen im Einsatz war, auf die Elbe schicken. Deshalb müssen die Anbieter auch eine Preisgarantie bis zum 31. Januar 2019 abgeben – dann aber wird es wohl wirklich ernst.

Die Unterelbe soll zwischen Nordsee und Hamburger Hafen auf einer Länge von rund 120 Kilometern auf 19 Meter unter Normalnull (NN) vertieft werden.

Ziel ist, dass auch die größten Containerriesen mit einem Tiefgang von 13,5 Metern den Hafen jederzeit anlaufen können, bei Hochwasser auch mit 14,5 Meter Tiefgang.

Es wäre die neunte Elbvertiefung: Zwischen 1818 und 1825 erfolgte die erste auf 5,4 Meter unter NN. Die achte „Fahrrinnenanpassung“, wie das Projekt offiziell heißt, geschah 1999.

Die Baukosten von mehr als 600 Millionen Euro trägt zu zwei Dritteln der Bund, zu einem Drittel Hamburg. Weitere mindestens 160 Millionen Euro für Naturschutz und Deichsicherung muss Hamburg aufbringen.

In der Auftragsbeschreibung, die der taz nord vorliegt, ist von „rd. 30 Mio. m3 Material“ die Rede, die aus der Fahrrinne der Unterelbe zu entfernen seien. Diese Mengenangabe bezieht sich auf die „Bundesstrecke“ von Elbkilometer 638,9 bis 755,3. Das ist die Etappe zwischen Wedel und dem Großen Vogelsand, der nordwestlich von Neuwerk in der Elbmündung liegt.

Zusammen mit den knapp 20 Kilometern vom Alten Elbtunnel an den St. Pauli Landungsbrücken bis Wedel, für die der Stadtstaat Hamburg zuständig ist, dürften es an die 40 Millionen Kubikmeter Schlick und Sand sein, die ausgebaggert und größtenteils in der nördlichen Außenelbe abgelagert werden sollen.

Dafür soll, auch das ist Teil der Ausschreibung, der große Priel Medemrinne zwischen Cuxhaven und Brunsbüttel mit einem 2.000 Meter langem Damm vom Flutstrom abgetrennt und anschließend mit dem Baggergut aufgefüllt werden.

Die zuständige Hamburger Wirtschaftsbehörde hüllt sich in Schweigen. Nach so vielen Jahren der Planung und Gerichtsverfahren komme es auf einen Tag mehr oder weniger auch nicht mehr an, sagt Behördensprecherin Susanne Meinecke. „Wir arbeiten gründlich.“ Der Planfeststellungsbeschluss werde erlassen, wenn er fertig sei, „keine Sekunde früher“.

Der Grund dafür ist, dass die Behörde sich keinen weiteren Fehler erlauben kann. Hamburg bastelt derzeit an der vierten Planergänzung. Zwei Planungen waren so indiskutabel, dass die Verantwortlichen sie selbst zurückzogen; die dritte Planung erklärte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Februar 2017 auf Klage der Umweltverbände BUND, Nabu und WWF für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“. Verantwortlich für diesen Pfusch war die politische Vorgabe, die Baggerpläne ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen.

Schutz für den Schierlings-Wasserfenchel

In dem Urteil hatte das höchste deutsche Verwaltungsgericht vor 18 Monaten verlangt, den weltweit nur an der Tideelbe lebenden und streng geschützten Schierlings-Wasserfenchel nachhaltig zu schützen. Seitdem versucht Hamburg, auf der Billwerder Elbinsel oberhalb der Stadt zwei ehemalige Wasserbecken so umzubauen, dass sie unter den Einfluss von Ebbe und Flut kommen und der Schierlings-Wasserfenchel dort auf 1,5 Hektar Fläche gedeihen kann.

Allerdings bekräftigten die drei Umweltverbände im Mai in einer anwaltlichen Stellungnahme ihre Ablehnung auch dieser modifizierten Planung. „Es sind sogar noch weniger Ausgleichsflächen festgelegt als bisher und die neu zu schaffenden Flächen sind für den Schierlings-Wasserfenchel kaum geeignet“, heißt es da. Zudem wurden in dem Areal mehrere Larven der Asiatischen Keiljungfer, einer streng geschützten Libellenart, entdeckt – ein weiteres Hindernis.

Diese Bedenken müssen die Baggerplaner nun in ihren Beschluss einarbeiten. Sollte ihnen das so gelingen, dass sämtliche Kritikpunkte der Umweltverbände fachlich und juristisch widerlegt werden, dürfte die Buddelei auf der Elbe demnächst beginnen. Ansonsten sehen sich alle Beteiligten demnächst vor Gericht wieder.

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