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Ausschluss vom NRW-LandtagspräsidiumDie AfD steht für „Hass“

Der NRW-Landtag hält seine erste konstituierende Sitzung ab und schließt die AfD vom Präsidium aus. Die Partei kündigt juristische Schritte an.

Sitzt ganz rechts im NRW-Landtag: die AfD Foto: dpa

DÜSSELDORF taz | Obwohl stärker als die Grünen, wird die AfD-Fraktion künftig nicht im Präsidium des nordrhein-westfälischen Landtags vertreten sein. Das hat das Parlament bei seiner konstituierenden ersten Sitzung am Donnerstag in Düsseldorf beschlossen. Landtagspräsident wird der Christdemokrat André Kuper aus Rietberg im Kreis Gütersloh. Für Kuper votierten 185 der insgesamt 199 Abgeordneten.

Der 56-Jährige erhielt damit mindestens zwei Stimmen aus der 16-köpfigen AfD-Fraktion. Die bisherige Amtsinhaberin Carina Gödecke von der SPD wechselt auf den ersten der drei Stellvertreter-Posten. Die FDP reaktiviert Angela Freimuth aus Lüdenscheid, die bereits bis 2012 Parlaments-Vize war. Der grüne Kulturpolitiker Oliver Keymis aus Meerbusch bei Düsseldorf, der seit 2006 als Landtagsvize amtiert, setzte sich in einer Kampfkandidatur mit 177 zu 19 Stimmen gegen den AfD-Mann Herbert Strotebeck durch. Für Strotebeck entschieden sich damit mindestens drei Parlamentarier, die nicht der AfD angehören.

Besonders Sozialdemokraten und Grüne hatten den Ausschluss der Rechtspopulisten vom Landtagspräsidium im Vorfeld verteidigt: „Die AfD ist für mich keine demokratische Partei“ – so lautet das Urteil des SPD-Fraktionsvorsitzenden Norbert Römer. Die frisch gewählte Fraktionschefin der Grünen, Monika Düker, wies Befürchtungen zurück, die Parlamentsmehrheit dränge die Rechtspopulisten in eine Opferrolle: Dies zu „antizipieren“ sei nicht „Aufgabe“ der anderen Parteien. Auch Dükers Vorgänger Mehrdad Mostofizadeh betonte, die AfD stehe für „Rassismus, Diskriminierung und Hass.“

Laut nordrhein-westfälischer Landesverfassung bestimmen allein die Abgeordneten über Größe und Zusammensetzung des Landtagspräsidiums. Bisher war es allerdings üblich, dass jede Fraktion zumindest mit einem Vizepräsidentenposten bedacht wird – schließlich entscheidet das Präsidium über die Arbeitsweise der Landtags, legt etwa Tagesordnungen und damit Choreographie und Verlauf von Parlamentsdebatten fest.

Frauke Petry schaut zu

Mit Geschäftsordnungsanträgen versuchte AfD-Fraktionschef Marcus Pretzell deshalb, die Zahl der Vizepräsidenten entweder auf zwei begrenzen oder auf vier erweitern zu lassen. Beobachtet wurde er dabei von seiner Ehefrau, der AfD-Bundesparteichefin Frauke Petry – sie verfolgte die konstituierende Sitzung von der Besuchertribüne aus.

Außerdem forderte Pretzells im Düsseldorfer Landtag ganz rechts außen platzierte Fraktion, die Abgeordneten müssten in ihrer Verpflichtungserklärung versprechen, „zum Wohle des deutschen Volkes“ arbeiten zu wollen – in der nordrhein-westfälischen Verfassung ist dagegen neutral vom „Wohle des Landes“ und den in NRW lebenden „Menschen“ die Rede.

Gegen ihren Ausschluss vom Landtagspräsidium hat die AfD bereits juristische Schritte angekündigt. Bei der Landtagswahl vom 14. Mai waren die Rechtspopulisten mit 7,4 Prozent nach CDU, SPD und FDP viertstärkste Kraft geworden – für die Grünen entschieden sich 6,4 Prozent der WählerInnen.

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8 Kommentare

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  • Dass alle Fraktionen eines Parlamentes auch in dessen Präsidium vertreten sind, ist für die Organisation des demokratischen Tagesgeschäftes keine zwingende Voraussetzung. Diese "Vereinbarung" gehört unter den Parlamentariern in den Bereich des gegenseitigen Respekts über die unterschiedlichen Weltanschauungen hinweg.

     

    Nun tritt die AfD aber spätestens seit der Übernahme durch die Rechtspopulisten im Sommer 2014 mit der grundsätzlichen Aufkündigung dieses Respekts gegenüber den sogenannten "Altparteien" auf, wo immer sie kann. Sie diffamiert und beschimpft die politische Konkurrenz unter anderem persönlich als "Volksverräter", sie bedient sich völkischer, reaktionärer Ressentiments gegen Minderheiten, und sie schürt im öffentlichen Diskurs gemeinsam mit ihren "Vorfeld-Organisationen", insbesondere der "*gida"- und der "identitären" Bewegung, permanent diffuse Ängste und revisionistische Überzeugungen, die sich überwiegend gegen das parlamentarische System, die Gewaltenteilung und die gesamte politische Entwicklung im Nachkriegsdeutschland - und insbesondere der "68er" Bewegung - richten, und ist damit bestrebt, sowohl Keile zwischen einzelne Gruppen, als auch zwischen ihre Anhänger und die Verfassung zu treiben.

     

    Sie kann daher diesen Respekt von den übrigen Parteien nicht einfordern, wo sie es für opportun hält und es ihr nützt.

     

    Da nützt alles Rumgeheule nichts, dieser Anspruch ist schlicht verwirkt. Und wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD seine Haltung mit der Aussage bekräftigt, die AfD sei "keine demokratische Partei", dann stellt er damit nicht die Legalität der AfD als Partei in Frage, wohl aber die Legitimität ihres Auftretens und ihrer faktenfreien Argumentation.

  • „Die AfD ist für mich keine demokratische Partei“ – so lautet das Urteil des SPD-Fraktionsvorsitzenden Norbert Römer.

     

    Was für ein Demokratieverständnis! Es ist doch vollkommen egal, was Herr Römer denkt: Die AfD wurde GEWÄHLT. Ob es einem passt oder nicht, der Wähler ist der Souverän, nicht eine Partei, ein Herr Römer oder sonst jemand der meint, bestimmen zu dürfen, welche Meinung genehm ist: Die AfD ist eine zugelassene Partei!

    • @Jens Frisch:

      Verhielt sich mit der NSDAP genauso.

       

      Nicht alles was Recht ist, muss richtig sein.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Das ist mal wieder grandios. Man schließt die AfD aus und stellt sie so von jeder Mitverantwortung frei. Der AfD wird so die Möglichkeit zur weitgehenden Fundamentalopposition erst eröffnet.

     

    Vertreter der AfD hätten im Präsidium schon darlegen müssen wieso sie gegen dies und jenes sind. So aber bleibt der AfD die Rolle der "einzig wahren Opposition".

     

    Und doch, es ist Aufgabe der anderen Parteien genau das zu antizipieren. Wir sehen das Phänomen in der ganzen Welt, rechte/autoritäre Bewegungen erstarken während sie sich als Opfer der "linken Hegemonie" darstellen. Man macht ihnen das allzu leicht, man befördert diese Strategie geradezu.

     

    Man muss sich hier über eines im Klaren sein, die AfD hätte bei Abstimmungen im Präsidium jederszeit überstimmt werden können und sie hätte die Abstimmung dann hinnehmen müssen, anderenfalls wäre sie der schlechte Verlierer mit dem feaglichen Demokratieverständnis gewesen. So aber ist die AfD andauernd das Opfer der "linken Hegemonie"...

     

    Und eines fehlt mir in der Begründung auch noch. Wo genau steht die Sache mit dem "Hass" in der Verfassung von NRW? Man schafft hier wieder einen Präzidenzfall und bedient sich hierzu unscharfer Begrifflichkeiten. Wieder wird ein Instrument geschaffen dessen zukünftige Verwendung nicht kontrolliert werden kann...

  • So schafft man es, die AfD zum 'underdog' zu stilisieren. Dieses Verhalten wird die AfD nicht, wie vielleicht beabsichtigt, marginalisieren, sondern ihr verstärkten Zulauf von den Seiten bringen, die mit den Etablierten bereits abgeschlossen haben.

    • @Nikolai Nikitin:

      Das sehe ich nicht so. Die Abgeordneten können wählen, wen sie wollen. So sind die Regeln.

      Leicht anders liegt der Fall m.E. bei der Änderung der GO des Bundestags, um einen AfD-Alterspräsidenten in der konstituierenden Sitzung zu verhindern. Natürlich hat die Mehrheit auch das Recht, die Regeln zu ändern, aber dennoch bleibt hier ein unangenehmes G'schmäckle haften.

      • @Zwieblinger:

        Genau so ist es, Hr./Fr./Frl. Zwieblinger, ein G'schmäckle. Die Folge: Es werden sich nun mehr Leute mit der AfD solidarisieren. So war es auch weiland mit den Grünen. Wir hatten einst glänzende Augen, als sie in Turnschuhen, selbstgestrickten Pullovern und bunten Tüchern in die heiligen Hallen des Bundestages einzogen, während die Konservativen entsetzt darüber waren.

    • @Nikolai Nikitin:

      Das bleibt abzuwarten. Mir scheint eher, dass es hier eher weniger um Image geht, der Schritt also ein zwiespältiger, aber eher ein hilfreicher ist.