piwik no script img

Aussagefähigkeit von KlimamodellenEs ist heiß in Mordor

Wissenschaftliche Modelle prognostizieren das Klima. Auch das von Mittelerde wurde schon modelliert. Alles hilfreich, aber leider selten eindeutig.

Gewitterwolken über Mittelerde, Texas im Sommer 2022 Foto: Scott Coleman/imago

„Im Grunde sind alle Modelle falsch, aber einige sind nützlich“, sagte der britische Statistiker George Box erstmals im Jahr 1978. Seitdem wiederholte Box seine These immer wieder. Gemeint ist, dass kein Modell der Realität entspricht, aber einige helfen können, sie verständlicher zu machen.

Der Aphorismus gilt auch heute noch. Das Modell der Kippelemente im Erdklimasystem etwa ist mittlerweile auch bei Nicht­wis­sen­schaft­le­r:in­nen bekannt. Nach diesem Modell hat das globale Klimasystem unterschiedliche, überregionale Bestandteile, die kippen können, zum Beispiel das Grönlandeis.

Wenn eine kritische Schwelle erreicht wird, führt das zu unumkehrbaren Veränderungen im Klimasystem. Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation berufen sich auf die Kippelemente, wenn sie vor einem unkontrollierbaren Klimawandel warnen. Das Modell der Kippelemente kann also nützlich sein. Aber ist es – wie Box sagen würde – auch falsch?

Klimamodelle beruhen auf dem aktuellen Kenntnisstand der Physik, Chemie und Biologie. Diese Kenntnisse werden in Form von mathematischen Gleichungen geschrieben und in eine Form umgewandelt, die von einem Computer gelöst werden kann. Da die Modelle selbst aber keine physikalische Realität, sondern eine menschliche Einordnung davon sind, ist in der Theorie alles modellierbar.

Klima Mittelerdes etwa wie das von Westtexas

Um das zu verdeutlichen, simulierten For­sche­r:in­nen bereits das Klima Mittelerdes, also der Welt aus den Herr-der-Ringe-Romanen. Sofern einige Vermutungen stimmen, wie etwa, das Mittelerde Teil eines kugelförmigen Planeten ist, wäre der größte Teil von Frodos Heimat von dichtem Wald bewachsen. Zumindest dort, wo Drachen, Orks und Zauberer die Landschaft nicht verändert haben. Mordor wiederum wäre eine unwirtliche Gegend. Das Klima entspräche etwa dem in Westtexas: heiße, schwüle Sommer und kalte, windige Winter.

Klimamodelle sind im Regelfall nicht nur Computersimulationen wie auf Mittelerde, sondern werden von detaillierten Beobachtungen gestützt. Allerdings zeigen verschiedene Modelle unterschiedliche Ergebnisse an. Der Klimaforscher Thomas Stocker erklärte in der Zeit, dass es beim Kippelement Grönlandeis sowohl Modelle gäbe, die ein Kippen anzeigen, wie auch welche, die die Lage als stabil bewerten.

Falsch sind diese Klimamodelle deshalb trotzdem nicht. Vielmehr zeigt sich, wie sinnvoll es ist, mehrgleisig zu fahren. Denn die Richtung des Klimawandels bleibt bei den Grönlandeis-Modellen gleich. Nur die Haltestelle verändert sich. Für Stocker Anlass, eine Verbesserung der Modelle zu fordern.

Klimamodelle helfen also dabei, sich auf Veränderungen in der Zukunft einzustellen. Sie beeinflussen politische Entscheidungen. Sogar Menschenleben können davon abhängen, ob etwa ein Frühwarnsystem robust konzipiert wurde. Wenn Modelle falsch prognostizieren, wird die Autorität der Wissenschaft in Frage gestellt. Gerade deshalb ist eine ehrliche Kommunikation auch über die Grenzen wissenschaftlicher Modelle so entscheidend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ganz allgemein sind Modellierungen so gut, wie die Daten, die zur Verfügung stehen und die ins Programm eingegeben werden.



    Zu glauben, dass sei nun ein wahres Abbild für z.B. das Jahr 2030, ist falsch. Diese Modelle werden ständig nachgeschärft. Nein, das bedeutet nicht, dass das erste Modell Mist war.



    Je mehr man "nachschärft" um so besser kann man das Modell (Wirklichkeit) besser verstehen und um so präziser die Vorhersage. Kennen wir im Prinzip alle vom Wetter.

    Gibt es eine bessere Methode einen Blick in die Zukunft zu werfen?



    Glaskugel? Das Orakel von Delphi? Impf- und Bill Gates Gegner befragen?

  • Ein gewisser Skeptizismus gehört in den Naturwissenschaften zum guten Ton.

    Und da die Klimamodelle naturwissenschaftlicher Herkunft sind, gilt auch hier eine gewisse Zurückhaltung als geboten..



    Das ist aus wissenschaftlicher Perspektive gut und richtig.

    Man sollte dies aber bei der Interpretation der Klimamodelle wissen und berücksichtigen. Klimaforscher werden zumeist nur mit gebotener Vorsicht, die Möglichkeit wirklich katastrophaler Ereignisse in den Vordergrund stellen...was wiederum zu einer systematischen Unterschätzung der tatsächlich zu befürchtenden Auswirkungen führt.

    Da weder Alarmismus noch Verharmlosung zielführend sind, wäre es gut, von den Klimawissenschaftlern sowohl best case wie auch worst case Szenarien abzufragen...sowie um deren Einbettung in Wahrscheinlichkeitsprognosen zu bitten..

    Ich denke nur ein solcher Umgang mit den Daten ist geeignet um mit der Realität der klimatischen Veränderungen und dessen Bedrohungspotenzial angemessen umzugehen..

  • Man sollte die Qualität und Verlässlichkeit der Modelle und Prognosen aber auch nicht unnötigerweise klein reden. Schon die Modelle die in den 90ern aufgestellt wurden erwiesen sich in ihren Vorhersagen aus der heutigen Rückschau im Großen und Ganzen als ziemlich gut und man kann wohl durchaus berechtigt annehmen, dass ein Vierteljahrundert weitere Forschung ebenso wie die seitdem massiv gesteigerte Rechenleistung zu einer weiteren Verbesserung geführt haben dürften.

  • Der Punkt ist doch, dass große Teile der Bevölkerung mit der Wissenschaftlichen Ausdrucksweise ("Nomenklatur") nicht vertraut sind und ein kleiner, aber extrem unserioeser Teil genau das ausnutzt um die stets mit einer gewissen Unsicherheit ausgedrückten wissenschaftlihen Erkenntnisse abzuleugnen.

    Und dieser kleine Teil konzentriert sich in Berlin. Vorzugsweise rund um das Reichstagsgebäude.

    Ich führe als Beispiel mal den Lungenkrebs an: Weit, wei über 90 % der Erkrankten sind oder waren Raucher. Aber das ist natürlich kein Beweis dafür, dass Rauchen Krebs verursacht. Darum lohnt sich auch weiterhin die Produktion von Rauchwaren aller Art.

    • @Bolzkopf:

      Sie haben recht!