Ausrichtung der Grünen: Freiheit ohne FDP-Aroma

Vor dem Grünen-Parteitag legt der Bundesvorstand einen Leitantrag zur Freiheit vor – und attackiert die große Koalition als antiliberal.

„Wir ringen um den Begriff der Freiheit“: Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefs der Grünen, beim Freiheitskongress. Bild: dpa

BERLIN taz | Der groß beworbene Grüne Freiheitskongress im September ging im Streit über den Asylkompromiss unter – nun nimmt die Partei einen neuen Anlauf, sich im Parteienspektrum als freiheitliche Kraft zu positionieren: Zum Bundesparteitag legt der Vorstand einen umfangreichen Leitantrag zur Freiheit vor, die bei dem Delegiertentreffen in Hamburg Ende November ein Schwerpunktthema sein soll. „Die politische Linke hat den Wert von Freiheit und Selbstbestimmung viel zu häufig vernachlässigt und der politischen Rechten überlassen“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Die Grünen wollten im Bundestag künftig „die Stimme für Freiheit und Selbstbestimmung“ sein.

Allerdings geht die Grünen-Spitze klar auf Distanz zur Freiheit nach FDP-Vorbild – und verzichtet auf Begriffe wie liberal oder libertär als Teil grüner Programmatik. „Wir ringen um den Begriff der Freiheit“, räumt die Parteiführung ein. Klar sei aber: Dem neoliberalen Freiheitsverständnis, das den Staat „als unwillkommene Gängelung individuellen Gewinnstrebens wahrnimmt und im Recht des Stärkeren endet“, wollten die Grünen „eine verantwortungsbewusste, emanzipatorische, partizipative und solidarische Freiheit“ entgegensetzen.

Ein gutes Jahr nach dem missglückten Bundestagswahlkampf arbeiten die Grünen in dem Positionspapier auch die Verbots- und Veggie-Day-Debatte noch einmal auf. Der grüne Einsatz für Freiheit und Selbstbestimmung sei zuletzt „teils sehr bewusst missinterpretiert“ und von der Partei „nicht immer so signalisiert worden“, heißt es. Natürlich gehe es nicht ohne Vorschriften.

Die Grünen wollten aber als Anwälte der Bürger bei notwendigen Regulierungen darauf setzen, die Strukturen zu verändern. Im Lebensmittelbereich wolle man etwa bei den Produzenten ansetzen statt bei den Konsumenten. Den Vorschlag für einen fleischfreien Donnerstag in Kantinen, der den Grünen im Bundestagswahlkampf um die Ohren geflogen war, verbannt das Papier ins Parteiarchiv: „Ob jemand am Donnerstag Fleisch isst oder nicht, ist uns herzlich egal.“

Gegenoffensive der Parteiführung

Statt weiter gegen das Verbotsimage anzuargumentieren, will die Parteiführung nun offensichtlich die Gegenoffensive starten: „Die Große Koalition gefährdet unsere Freiheit“, heißt es in dem Leitantrag. Die Bundesregierung unternehme zu wenig gegen Überwachung durch Geheimdienste. Außerdem drohten transatlantische Handelsabkommen die demokratischen Entscheidungen zu unterlaufen. Zwar zeige der europäische Binnenmarkt, dass freier Handel große Chancen biete. Dennoch lehne man TTIP und Ceta „in ihrer derzeitigen Form ab“.

Der Leitantrag wird beim Bundesparteitag allerdings inhaltlich brisante Konkurrenz bekommen: Die Delegierten werden dort wohl noch einmal die umstrittene Entscheidung zum Asylkompromiss auf die Tagesordnung heben. Außerdem wird mit einer leidenschaftlichen Debatte über den außenpolitischen Kurs in Zeiten von IS gerechnet.

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