piwik no script img

Ausgesetztes Atomabkommen mit IranPragmatismus auf den letzten Metern

Die Verhandlungen über Irans Atomprogramm stehen kurz vor dem Abschluss. Aber auch sie werden vom russischen Vorgehen in der Ukraine überschattet.

Demonstratives Händeschütteln: Der Chef der iranischen Atomenergie-Organisation, Mohammad Eslami, und der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Mariano Grossi, am Samstag in Teheran Foto: reuters

Teheran afp | Der Iran und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) wollen verbliebene Differenzen auf dem Weg zur Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens „pragmatisch“ beilegen. Das erklärten beide Seiten am Samstag nach Gesprächen von IAEA-Chef Rafael Grossi in Teheran. Allerdings stellte Russland einen erhofften baldigen Abschluss der Verhandlungen wegen der gegen Moskau im Zusammenhang mit dem Ukraine-Einmarsch verhängten Sanktionen in Frage.

Bereits seit einigen Wochen gibt es Signale, die auf eine baldige Einigung bei den in Wien stattfindenden Verhandlungen über das Atomprogramm mit dem Iran hindeuten. Nun sagte Grossi nach seinen Gesprächen in Teheran, es gebe noch „eine Reihe wichtiger Fragen zu klären“. Beide Seiten hätten beschlossen, dabei „einen praktischen, pragmatischen Ansatz“ zu verfolgen.

Grossi sprach in Teheran mit dem Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Mohammad Eslami, sowie mit Außenminister Hossein Amir-Abdollahian. Beide Seiten hätten vereinbart, einige wichtige Dokumente bis zum 22. Mai, dem Beginn des iranischen Monats Chordad, auszutauschen, sage Eslami.

„Dies ist ein kritischer Moment, doch ein positiver Ausgang für alle ist möglich“, hatte Grossi am Freitag vor seiner Abreise nach Teheran auf Twitter erklärt. Die britische Verhandlungsseite hatte am Freitag erklärt, ein Durchbruch sei in greifbarer Nähe. Die europäischen Unterhändler hätten für kurze Zeit Wien verlassen, um ihre jeweiligen Regierungen zu informieren, erklärte die britische Diplomatin Stephanie Al-Qaq.

Russland dämpfte allerdings am Samstag die Hoffnungen auf eine schnelle Einigung: Die Vereinbarung mit dem Iran stehe zwar vor dem Abschluss, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Allerdings seien „in letzter Zeit Probleme aus der Sicht der Interessen Russlands aufgetreten“.

Lawrow verwies auf die „Lawine aggressiver Sanktionen, die der Westen wegen des Ukraine-Konflikts losgetreten hat“. Moskau benötige nun „schriftliche Garantien“ der USA, dass die Sanktionen Russlands Rechte im Rahmen des Atomabkommens nicht beeinträchtigen würden. Es gehe um „uneingeschränkten Handel, wirtschaftliche und investive Zusammenarbeit sowie militärisch-technische Kooperation mit dem Iran“.

Entscheidende kommende Tage

An den Gesprächen mit dem Iran sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China beteiligt. Die USA nehmen indirekt daran teil. Die EU agiert bei den Verhandlungen als Vermittlerin zwischen den iranischen Unterhändlern und der US-Delegation.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte am Freitag erklärt, er hoffe „auf Ergebnisse im Laufe des Wochenendes“. Zwar sei ein Durchbruch bei den Verhandlungen keineswegs sicher, „aber ich hoffe es wirklich“, fügte er nach einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel hinzu.

Die kommenden Tage werden vom Westen als entscheidend angesehen, da man befürchtet, das Abkommen könne bei dem Tempo, in dem der Iran nukleare Fortschritte erzielt, bald hinfällig sein. Frankreich erklärte, es sei „dringend“ nötig, den Deal „in dieser Woche abzuschließen“. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwoch erklärt: „Das ist jetzt der Zeitpunkt, sich zu entscheiden.“ Eine Einigung dürfe „nicht weiter aufgeschoben werden und kann nicht immer weiter vertagt werden“.

Beobachter gehen davon aus, dass der Westen den Verhandlungstisch verlassen könnte, sollte am Wochenende kein Kompromiss erzielt werden.

Die USA hatten 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump das Atomabkommen von 2015 aufgekündigt und ihre Wirtschaftssanktionen gegen Teheran wieder in Kraft gesetzt. Danach zog sich auch der Iran schrittweise aus der Vereinbarung zurück und fuhr sein Atomprogramm hoch.

Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden kamen die Gespräche über ein neues Abkommen wieder in Gang, die USA nehmen aber nur inoffiziell daran teil. Das Abkommen soll den Iran daran hindern, ein Atomwaffenprogramm aufzubauen, und ihm zugleich ermöglichen, Atomenergie zu friedlichen Zwecken zu nutzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Hardliner dominieren, Kompromisse sind nicht gefragt - die Welt rennt in ihr Verderben.

  • "Moskau benötige nun „schriftliche Garantien“ der USA" erklärt Lawrow. Grotesk. Hier wird die absolute Katastrophe sichtbar, die alles blockiert: Russland zerschlägt die Basisbedingungen jeden Dialogs in Europa durch den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Jegliche Verhandlungen verlangen von allen Seiten das Zugeständnis, dass eine Vereinbarung nur funktionieren kann, wenn die ausgehandelten Regeln akzeptiert werden und "die Worte" gelten. Danach sieht es überhaupt nicht mehr aus, da Ru sämtliche internationalen Verträge missachtet. Wie soll dann das Atom-Abkommen mehr sein als ein Stück Papier. Die Unterschrift von Lawrow ist nicht einmal die Tinte wert, weil das Lügen unvermindert weitergeht.



    Dieses Abkommen wird scheitern, weil es weder vom Iran noch von Russland eingehalten wird.



    Daran trägt auch Trump die Schuld, der nützliche Hohlpfosten für Russland und Iran.

  • Das sog. Abkommen ist doch nur ein Vehikel zum Zweck der Aufhebung der Sanktionen und hindert den Iran nicht daran, mittelfristig Atommacht zu werden. Die westlichen Staaten haben aus ihren Fehlern, die sie in der Einschätzung Putins gemacht haben und die ihnen gerade um die Ohren fliegen, nichts gelernt.

    • @Budzylein:

      Was man bei Putin/Trump lernt: Verträge hält man ein wenn sie nutzen, interpretiert sie frei nach gusto, bricht sie wenn immer nötig.

      Und Iran ist von Atommächten umgeben. Einigen davon mehr oder minder aggressiv und feindlich gesinnt. Und wie man ohne Atomwaffen da steht, sieht man gerade an der Ukraine. Wäre ich Iran: ich würde die Atombombe bauen.

  • Die Fortführung des Vertrages wird den Mullahs kaum sehr schwerfallen. Bekanntlich hatten sie dem Vertrag seinerzeit erst zugestimmt, nachdem einige wichtige, aber seitens des Iran als besonders hinderlich empfundenen Klauseln gestrichen waren, insbesondere die Raketenrüstung.



    Im Übrigen wird das Nuklearabkommen 2025 enden, ohne dass es Festlegungen für die Zeit danach gibt. Ob die Mullahs danach einer Verlängerung zustimmen werden, halte ich für unwahrscheinlich. Denn die Hardliner in Teheran werden darauf dringen, die Atomwaffenentwicklung ungehindert fortzuführen. Damit die Raketen, die bekanntlich nicht Vertragsgegenstand sind, „endlich“ atomar bestückt werden können!