Aus für anthroposophische Station: Schluss mit Heil-Eurhythmie

Die einzige Station für anthroposophische Medizin im Norden soll in eine Ambulanz umgewandelt werden. Der Freundeskreis will das Angebot retten.

Das Asklepios-Klinikum West in Hamburg-Rissen schließt seine Station für Integrative Medizin. Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Klinikkonzern Asklepios will zum Jahresende seine Station für Integrative Medizin schließen. Damit falle ein einzigartiges Angebot in Norddeutschland weg, kritisierten der Verein für anthroposophische Heilkunst „Gesundheit Aktiv“ sowie Freunde und Förderer der 35 Jahre alten Station.

Stefan Schmidt-Troschke von Gesundheit Aktiv wirft Asklepios vor, die Station ohne Not und gegen den Wunsch vieler Patienten dichtzumachen. „Patienten haben im Gesundheitswesen kaum eine Stimme“, bedauert er, „stattdessen bestimmen die Shareholder, wovon die Klinik profitiert.“

Das Besondere an der Station ist, dass sie die schulmedizinische Behandlung um ganzheitliche Therapien aus der Anthroposophie Rudolf Steiners und der Homöopathie ergänzt. „Es ist eine der wenigen Abteilungen, in der in diesem Land eine echt persönliche Betreuung und Pflege stattfindet“, sagt Schmidt-Troschke.

Hier werde eine Kultur der Betreuung gepflegt, die in Zeiten zunehmenden Effizienzdrucks dringend nötig sei. Dabei lasse sich eine solche Medizin durchaus wirtschaftlich betreiben, versichert Schmidt-Troschke, wenn auch mit Abstrichen bei der Rendite.

Die Station für Integrative Medizin ist auf Krebskranke und Alte spezialisiert.

In ihrer Selbstdarstellung heißt es: „Gemeinsam erarbeiten wir eine ganz individuelle Therapie für Sie, die Ihre persönlichen Bedürfnisse und das subjektive Krankheitserleben mit einbezieht.“

Im Sinne einer ganzheitlichen Therapie bietet die Station auch anthroposophische Verfahren an, die die Selbstheilungskräfte stärken sollen.

Dazu gehören die Heileurythmie, Maltherapie, plastisch-therapeutisches Gestalten, Musiktherapie und Rhythmische Massage.

Manche Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten für solche anthroposophischen Therapien – auch außerhalb der Krankenhäuser.

Nicht Teil der Krankenhausbehandlung

Über die Wirtschaftlichkeit einzelner Stationen will sich Asklepios nicht äußern. Die Krankenkassen sähen die integrative Medizin jedoch nicht als Teil einer stationären Krankenhausbehandlung an und rechneten den besonderen Aufwand der Anthroposophie lediglich über Zusatzentgelte ab, die in der Regel kaum mehr als ausreichend seien. „Deshalb wird die integrale Medizin von kaum einem Krankenhaus in Deutschland mehr angeboten“, sagt Asklepios-Sprecher Rune Hoffmann.

Schmidt-Troschke findet, Asklepios rede die Integrative Medizin klein. Allein der Verband Anthroposophischer Krankenhäuser listet sieben Kliniken mit einem entsprechenden Angebot auf. Asklepios drohe, einen Trend zu verpassen.

Allerdings räumt Gesundheit Aktiv ein: „Dass die Anliegen von Patienten überhaupt stärker in den Fokus rücken, ist noch relativ neu und steht erst am Beginn einer differenzierten wissenschaftlichen Erforschung.“

Immerhin hat das Institut für Demoskopie in Allensbach ermittelt, dass der Anteil derjenigen, die ein Naturheilpräparat eingenommen haben, seit 1980 von 50 auf 70 Prozent gestiegen ist. Nach dem Gesundheitsmonitor 2012 der Bertelsmann-Stiftung ist die Zahl im vergangenen Jahrzehnt auf 45 Prozent gesunken, was aber mit dem Ende der Kostenerstattung zusammenhänge. Die Einstellung zu den Naturheilverfahren habe sich dagegen nicht wesentlich geändert.

Spezialisierte Einheiten

Die Zusatzentgelte für ein solches Angebot werden von den Krankenhäusern direkt mit den Kassen ausgehandelt. „Das ist eine Frage, wie wichtig mir das ist“, sagt Schmidt-Troschke. Dabei wird die Station in Rissen seit 2010 zusätzlich von einem Freundeskreis aus Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern unterstützt.

„Allein mit der normalen Krankenhaus-Finanzierung sind die Kosten für das erweiterte Angebot ganzheitlicher Medizin nicht gedeckt“, räumt der „Freundeskreis erweiterte Heilkunst“ ein. Deshalb wolle er Spenden für Fortbildungen, die Unterstützung von Patienten und Öffentlichkeitsarbeit einwerben.

Asklepios argumentiert, die Station sei mit ihren inzwischen nur noch acht von insgesamt 600 Betten in Rissen zu klein. Um die Qualität der Versorgung zu verbessern, schafften viele Klinik-Betreiber größere, spezialisierte Einheiten, sagt Hoffmann.

„Vor diesem Hintergrund ist auch die Überführung der Anthroposophie in ein ambulantes Angebot und die Erweiterung der Geriatrie zu verstehen.“ Damit schließe Asklepios die bereits 2014 begonnene Umwandlung der Station vier in eine Einheit für Altersmedizin ab.

Am Mittwochabend hat sich ein Initiativkreis gegründet, der das integrativmedizinische Angebot für Hamburg retten will. Eine Möglichkeit könnte sein, die Station in einem anderen Krankenhaus unterzubringen.

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