Aus- und Umbau von Frauenhäusern: Auf dem Trockenen

Das Bundesfamilienministerium stellt für Frauenhäuser 150 Millionen Euro bereit. Doch Verbände und Vereine kritisieren: Das Geld kommt nicht an.

Eine Mitarbeiterin bereitet in einem Frauenhaus ein Zimmer vor

Zu zweit auf engem Raum: Alltag im Frauenhaus Foto: Britta Pedersen/picture alliance

BERLIN taz | Barrierefreie Wohnungen, getrennte Duschen, flexible Gestaltung von Räumen und vor allem deutlich mehr Plätze für schutzsuchende Frauen und ihre Kinder: All das sollte das Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ ermöglichen. Nun jedoch werfen mehrere Verbände und Vereine dem Programm schwere Mängel vor.

Das Bundesförderprogramm ging unter dem SPD-geführten Frauenministerium der vergangenen Legislatur im Oktober 2019 an den Start und läuft bis Ende 2024. In einem ersten Strang sollen innovative Projekte zur Verbesserung von Prävention und Hilfsangeboten gefördert werden. Im zweiten, baulichen Teil stellt der Bund insgesamt 150 Millionen Euro für den Aus-, Um- und Neubau von Frauenhäusern und Beratungsstellen in Deutschland zur Verfügung.

Der vergangenen Regierung galt das Programm als zentraler Baustein im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen – und auch die heutige Ministerin Anne Spiegel (Grüne), damals Landesfrauenministerin in Rheinland-Pfalz, befürwortete das Programm ausdrücklich.

Das Programm passt zu großen Trägern

Nun jedoch kritisieren die Frauenhauskoordinierung, die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser und der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe übereinstimmend, der bauliche Teil des Programms verfehle seine Wirkung. „Die Art und Weise, wie das Programm aufgestellt ist, passt zu großen Trägern“, sagt Sylvia Haller von der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser. „Viele unserer kleinen gleichberechtigten Träger können aber noch nicht einmal die Kapazitäten aufbringen, um sich zu bewerben“ – geschweige denn die Kapazitäten für den tatsächlichen Neu- oder Umbau.

Das bestätigt auch die Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung, Heike Herold. „Wir hören von unseren Mitgliedern sehr viel Kritik am Programm.“ Für Beratungsstellen, obschon vom Ministerium ausdrücklich adressiert, sei es ohnehin kaum nutzbar, „weil die ihre Räume in der Regel mieten“.

Für Aufwände wie Bauanträge und Genehmigungsverfahren gebe es keine Erstattungsmöglichkeiten. Eigenen Bausachverstand habe man in den kleinen Häusern selten. So könnten sich die, die das Geld dringend bräuchten, gar nicht erst bewerben. „Wir haben die große Sorge“, sagt Herold, „dass die Mittel längst nicht ausgeschöpft werden.“

Nicht allzu viele Anträge

Die Zahl der Anträge ist tatsächlich überschaubar. Bis Februar 2022, also zweieinhalb Jahre nach dem Start, lagen 56 Anträge vor, von denen 42 bewilligt wurden, teilt das Bundesfrauenministerium mit. Zu den Fördersummen der Projekte macht das Ministerium keine Angaben.

Eine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ulle Schauws vom Mai 2021 zeigt allerdings, dass auch das finanzielle Volumen der Anträge gering ist. Für die Jahre 2020 bis 2023, bilanzierte das Ministerium damals, waren nur knapp 16 Millionen Euro für die bauliche Förderung eingeplant – also gerade einmal 13 Prozent der in vier Jahren grundsätzlich möglichen Summe im baulichen Bereich.

Laut Istanbulkonvention, dem Übereinkommen des Europarats gegen Gewalt gegen Frauen, fehlen in Deutschland rund 14.000 Plätze in Frauenhäusern. Auch und gerade in der Pandemie wurde deutlich, wie unterversorgt die Strukturen sind: Von den vorhandenen Plätzen sind nur wenige barrierefrei oder flexibel genug, um auf unterschiedliche Bedürfnisse von Frauen eingehen zu können. Dazu zählen zum Beispiel mehr Gemeinschafts- oder mehr Einzelfläche, Aufzüge oder Bedarfe für Frauen mit älteren Söhnen.

Email an das Ministerium

Haller und andere wandten sich deshalb bereits im Mai 2021 per E-Mail an das Bundesfrauenministerium, um ihre Probleme darzulegen. Der enorme bürokratische Aufwand, zu viele verschiedene Ansprechpersonen in Bund und Land, ein Eigenanteil von 10 Prozent und die zum Teil nötigen europaweiten Ausschreibungen seien insbesondere für kleine Träger kaum zu stemmen, heißt es in dem Schrei­ben. „Viele Häuser haben gerade mal fünf Mitarbeitende, und das nicht einmal in Vollzeit“, sagt Haller. „Da kann eine Kollegin nicht einfach mal ein halbes Jahr allein für die Antragstellung eingesetzt werden.“

Auch die Anforderung, verschiedene Kostenvoranschläge einzuholen, sei insbesondere für anonyme Frauenhäuser problematisch: „Dass da ständig Mitarbeitende von Handwerksbetrieben klingeln und durchs Haus laufen, passt schlicht nicht zu unserem Arbeitsumfeld“, sagt Haller: „Es gefährdet unsere Standorte.“

Im September 2021 habe es ein Gespräch mit dem Ministerium und der Bundesservicestelle gegeben, die auf Bundesebene für die Umsetzung des Programms zuständig sind. „Dabei wurde uns das Programm noch mal erklärt“, sagt Haller. „Aber es geht nicht darum, dass wir es nicht verstanden haben – sondern darum, dass es nicht an unseren Bedarfen ausgerichtet ist.“ Eine Zusage, das Programm entsprechend anzupassen, habe es seitens des Ministeriums nicht gegeben.

„Das Geld kommt schlicht nicht an“

Signalisiert wurde hingegen, so Herold, dass es kaum Möglichkeiten gebe, das Programm anders zu gestalten. „Das halten wir für ein Problem“, sagt Haller. „In der Öffentlichkeit kommt an: Der Bund setzt sich mit viel Geld für Frauenhäuser ein. Den betroffenen Frauen aber hilft das gar nichts. Das Geld kommt schlicht nicht an.“

Aus dem Ministerium heißt es nun, in Investitionsprogrammen sei der Weg von der Förderanfrage zum Antrag „per se nicht leicht und nicht schnell“. Allerdings stellten die Planung und Umsetzung von Bauvorhaben einer gewissen Größe, „die nicht zum täglichen Geschäft der gemeinnützig tätigen Akteure des Hilfesystems rechnen, für diese eine oft als schwer überwindbar empfundene Hürde dar“.

Man wisse um die Schwierigkeiten und arbeite an der Weiterentwicklung der Hilfestellungen, versichert das Ministerium, um Trägern den Weg zur Bewilligung ihres Projektes zu erleichtern. Mit den relevanten Bundesvernetzungsstellen in Bezug auf gewaltbetroffene Frauen stehe man „in einem sehr engen Austausch“.

Zügige Anpassung

Diese allerdings fordern eine möglichst zügige Anpassung des Programms. „Auf diese Art und Weise kann das Programm keine Wirkung entfalten“, kritisiert Sylvia Haller von der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser.

Konkrete und niedrigschwellige Änderungsvorschläge von Seiten der Häuser lägen auf dem Tisch: eine Ansprechperson, die für die jeweiligen Häuser nicht ständig wechselt. Eine Entlastung der Häuser im Bereich der Ausschreibungen und Kostenvoranschläge. Und die Laufzeit einzelner Bewilligungen über die Programmlaufzeit hinaus – weil sonst alle Vorhaben bis Ende 2024 verwirklicht sein müssten.

„Aus unserer Sicht ist eine solche Überarbeitung der Fördermöglichkeiten und -regularien dringend nötig“, sagt Heike Herold von der Frauenhauskoordinierung. „Wir brauchen ein niedrigschwelliges Verfahren, das der Praxis gerecht wird. Auch und gerade kleinere Träger brauchen die Gelder des Programms dringend.“

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