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Aufputschen im AlltagDer nette Mann mit dem Koks ist da

Mit stimulierenden Mikrodosierungen flirtet inzwischen auch mancher Elternzeit-Vati. Unser Autor hat dagegen schon lange keine Lust mehr darauf.

„Mother’s Little Helper“ Foto: imago

K okain, das alte Hausmittelchen, ist wieder mal in aller Munde. Die deutsche Polizei hat die Mafia im Geschäft entdeckt, der Stern schwelgt im „Kokainkrieg“, in Bern legalisieren sie probeweise, in Zürich denken sie darüber nach und die Lebensbeichten alter Nasenbären passen auf keine Kreditkarte.

Die Droge hat eine Berechtigung in dieser Kolumne insofern, als es sich im weiteren Sinne um einen von „Mother’s Little Helper“ handelt, wie das Stamperl Asbach unserer Muttis in den 1970er Jahren angesichts des täglichen Haushaltsdesasters. Mit stimulierenden Mikrodosierungen flirtet inzwischen auch mancher Elternzeit-Vati, wenn er vor dem Chaos steht, das seine Traumfamilie ihm zur Vormittagsbeschäftigung hinterlassen hat.

Mein Abschied von dem Zeug war einer dieser strahlenden Montagmorgen, an dem ich mit den Kumpanen zum Abschied gestreckten Babypuder von einer Motorhaube geschnupft hatte, um dann schwer heruntergerockt mich als eine Art Geisterfahrer den Landwehrkanal entlangzuschleppen, mit teuflischen kleinen Laufradrasern als Gegenverkehr. Deprimierender aber waren die abschätzigen Blicke der Großen auf dieses zugekokste Me, das mit so einem wunderschönen Frühsommertag nichts anderes anzufangen wusste, als schnellstmöglich die rettende Wohnung zu erreichen und ins Bett zu fallen, ohne Zähneputzen versteht sich.

Sich die Welt friedlich zu kiffen klappte auch nicht

Schön war das Aufwachen dann nicht; und ich vermisse nichts daran, bin aber froh, es, tja, durchgezogen zu haben. Ich habe meines Wissens, aber was heißt das schon, in diesem Zustand, niemand anderem Schaden zugefügt als mir selbst. In München bestätigte mir das eine alte Zahnärztin des Fassbinder-Clans, die meine Parodontitis mit geübtem Auge kommentierte: „Hamma a bisserl viel gekokst“?

Dass Kokain mich abhängig gemacht hätte, vergleichbar Kaffee und Zigaretten, kann ich dabei nicht bestätigen. Wenn Sie das nicht wissen wollen, hören Sie halt auf zu lesen (wenn Sie’s denn schaffen). Mich hatte allerdings auch ein sehr netter Mittelkrimineller in Mittelhessen in die Sache eingeführt: Wenn ich nichts mehr nehmen würde, bekäme ich halt eine mittelschwere Depression, die gälte es auszusitzen oder zu schlafen, ein bisschen Gras könne guttun, Alkohol bitte nicht.

Daran habe ich mich gehalten. Und aufgehört habe ich, weil es mir zu blöde wurde respektive, weil ich mir zu blöde wurde. Mit dieser Feststellung endeten allerdings auch andere Phasen meiner Existenz. Wie weitverbreitet in der angeblich cleanen Generation meiner Großeltern der Medikamentenmissbrauch war, bekam ich erst viel später mit. Und die Versuchung, mir die Welt friedlich zu kiffen, überkam mich kaum, weil ich nach dem ersten Zug immer schon sanft entschlief. Zu viel über Drogen zu reden, kommt mir so pubertär vor wie die fast immer heuchlerische Warnung vor ihnen senil. Am Ende ist ja eh so: I’ll never get out of this world alive.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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