Aufnahme von Geflüchteten: „Deutlich mehr Geld“ für Länder
Die Länder sollen mehr Geld vom Bund für Geflüchtete bekommen. Die geplante Verschärfung des Asylrechts wurde wieder etwas entschärft.
Zuletzt hatte die Bundesregierung den Ländern für das kommende Jahr zusätzlich drei Milliarden Euro zugesagt. Aus den Ländern kam in den vergangenen Tagen die Forderung nach einer Verdoppelung der Summe, da die Flüchtlingszahlen immer weiter steigen. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter sagte der Saarbrücker Zeitung, die vom Bund zugesagten Mittel reichten nicht aus. „Da muss die Bundesregierung noch ordentlich was nachlegen.“
Nach Informationen der Welt vom Montag wird in der Bundesregierung das Modell einer Kopfpauschale pro Flüchtling favorisiert. Diese solle jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden, heißt es dem Bericht zufolge in Regierungskreisen.
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte der Passauer Neuen Presse (Montag), Länder und Kommunen müssten sich darauf verlassen können, dass der Bund sie nicht im Regen stehen lasse. „Wir müssen zu einer Lösung finden, die sich an den tatsächlichen Flüchtlingszahlen orientiert.“
Offiziell geht die Bundesregierung für dieses Jahr noch von 800 000 Asylbewerbern aus. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) spricht aber schon von bis zu einer Million Flüchtlingen.
Vor dem Gipfel im Kanzleramt werden sich am Dienstag zunächst erneut die Innenminister der Europäischen Union und am Mittwoch dann die Staats- und Regierungschef mit dem Flüchtlingsproblem befassen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte die Hoffnung, dass dabei Erfolge erzielt werden. „Das wird viel aussagen über die Zukunftsfähigkeit dieses Europas“, sagte sie am Sonntagabend beim Verdi-Bundeskongress in Leipzig.
„Reifeprüfung für Europa“
SPD-Generalsekretärin Fahimi zeigte sich zuversichtlich, dass sich die momentan in der Flüchtlingsfrage zerstrittene EU noch einigen kann. „Es könnte so etwas wie eine Reifeprüfung für Europa werden“, sagte sie der Passauer Neuen Presse.
Der Chef der EU-Grenzschutzbehörde Frontex forderte mehr Unterstützung durch die EU-Mitgliedsstaaten. Die jüngsten Ereignisse hätten gezeigt, „dass wir dringend zu einem einheitlichen europäischen Grenzmanagement finden müssen“, sagte Fabrice Leggeri im Interview der Zeitungen Die Welt und El País. Frontex will vor allem die systematische Erfassung der nach Europa kommenden Flüchtlinge verbessern.
Nach Einschätzung der Behörde ist ein Abflauen des Flüchtlingsstroms Richtung Europa vorerst nicht zu erwarten. Allein an der türkischen Westküste warteten derzeit bis zu 500 000 Flüchtlinge darauf, die Überfahrt nach Griechenland anzugehen.
Innenminister de Maizière (CDU) steht weiter in der Kritik. „Administrativ war das Innenministerium ein Totalausfall. Dafür trägt de Maizière die Verantwortung“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck dem Kölner Stadt-Anzeiger (Montag). Sein Kollege Konstantin von Notz sprach von „essenziellen Problemen“. Wenn diese nicht gelöst werden, „muss der Minister die Verantwortung übernehmen und gehen“.
Maßnahmenpaket wieder entschärft
Die große Koalition hat sich nach den Worten von Innenminister Thomas de Maiziere am Sonntag auf ein Maßnahmenpaket als Reaktion auf die Flüchtlingskrise verständigt. Zum vorgelegten Gesetzentwurf sei „eine Einigung in allen Punkten erzielt“ worden, sagte der CDU-Politiker am Montag in Berlin. Der überarbeitete Entwurf sei nun an die Länder verschickt worden.
Das Gesetzespaket wurde an einer entscheidenden Stelle entschärft. Bislang war vorgesehen, dass über ein EU-Mitgliedsland eingereiste Flüchtlinge und Asylbewerber weder Geld- noch Sachleistungen bekommen, sondern Proviant und eine Fahrkarte zur Rückkehr in das EU-Land, über das sie erstmals in die Europäische Union (EU) eingereist sind. Diese Regelung soll nach den Worten de Maizieres nun nur für diejenigen gelten, die nach einem Asylverfahren ausreisen oder sich über einen EU-Verteilmechanismus eigentlich in einem anderen Land aufhalten müssten. Die Regelung gelte aber nicht für sogenannte Dublin-Fälle.
Der Entwurf sieht unter anderem Lockerungen im Bauplanungsrecht vor, um die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen. Menschen, die bleiben dürfen, sollen möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden, andere schneller abgeschoben werden. Außerdem sollen in Erstaufnahmeeinrichtungen künftig stärker Geld- durch Sachleistungen ersetzt werden.
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