Aufnahme von Afghan*innen: Dobrindt kündigt Einreise weiterer Schutzsuchender an
Immer noch sitzen vor den Taliban geflohene Afghan*innen in Pakistan fest. Der Innenminister will wohl weiter nur die evakuieren, die darauf klagen.
afp/epd | Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Einreise von weiteren in Pakistan festsitzenden Schutzsuchenden aus Afghanistan angekündigt. Es werde in den kommenden Wochen weitere Aufnahmen geben, möglicherweise auch in verstärkter Form, sagte er nach Angaben der Bundestagsverwaltung am Mittwoch im Innenausschuss des Parlaments. Es sei anvisiert, bis Jahresende dem Großteil dieser Menschen in Pakistan mit rechtsverbindlichen Aufnahmezusagen Einreisen zu ermöglichen, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin.
Allerdings bietet die Rechtsverbindlichkeit ein Schlupfloch, denn das Bundesinnenministerium erkennt Aufnahmezusagen bisher nur an, nachdem deren Inhaber*innen dies vor Gericht erzwungen haben. De Facto verändert sich durch Dobrindts neue Aussagen also wohl kaum etwas. Nach wie vor dürfte es für die Betroffenen sehr schwierig werden, nach Deutschland zu kommen.
Wer keine rechtsverbidliche Zusage hat, muss laut Dobrindt ohnehin davon ausgehen, nicht nach Deutschland kommen zu können. Die Bundesregierung bemühe sich, die Aufnahmen noch in diesem Jahr abzuarbeiten, sagte der Minister den Angaben zufolge. Aus deutscher Sicht sei aber auch im Januar oder Februar noch die Aufnahme Betroffener möglich.
Kritik im Ausschuss
Scharfe Kritik an Dobrindt äußerte nach der nichtöffentlichen Sondersitzung des Innenausschusses hingegen die Linke. Der Minister habe „unmissverständlich klargemacht, dass Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage im Rahmen der Menschenrechtsliste und des sogenannten Überbrückungsprogramms nicht aufgenommen werden und keine Zukunft in Deutschland habe“, erklärte die Linken-Migrationsexpertin Clara Bünger. „Dobrindt versteckt sich hinter Paragrafen, anstatt politische Verantwortung für gefährdete Menschen zu übernehmen“, kritisierte Bünger weiter. „Diese bürokratische Kälte ist erschütternd.“
Der SPD-Innenpolitiker Hakan Demir sagte nach der Sitzung des Innenausschusses dem Evangelischen Pressedienst (epd), sein Gefühl sei, „dass endlich ein wenig Bewegung in die Sache kommt“. „Die Regierung sollte Afghaninnen und Afghanen mit gültigen Aufnahmezusagen zügig nach Deutschland holen“, sagte er. Das Versprechen habe auch die neue Regierung abgegeben.
Union blockiert
Bei den Schutzsuchenden geht es zum Teil um frühere Ortskräfte der Bundeswehr und weiterer deutscher Institutionen und Organisationen. Andere gelten zum Beispiel wegen ihres Einsatzes für Frauen oder generell für Menschenrechte als besonders gefährdet. Die Betroffenen befinden sich dementsprechend entweder im Bundes-Aufnahmeprogramm, im Überbrückungsprogramm, im Ortskräfteverfahren oder stehen auf der sogenannten Menschenrechtsliste für besonders schutzbedürftige Menschen.
Die Bundesregierung hatte die Aufnahmeprogramme nach der Eroberung Afghanistans durch die radikalislamischen Taliban im August 2021 gestartet. Damit sollte besonders stark gefährdeten Afghaninnen und Afghanen dauerhaft eine Aufnahme in Deutschland aus humanitären Gründen ermöglicht werden. Union und SPD vereinbarten in ihrem Koalitionsvertrag allerdings, die Aufnahmeprogramme „soweit wie möglich“ zu beenden. Vor allem die Union sieht die Aufnahme von Afghaninnen und Afghanen kritisch und verweist unter anderem auf Sicherheitsbedenken.
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