Aufklärungskampagne für Migranten: Quiz mit kleinen Fehlern
Mit einer Aufklärungskampagne will das Auswärtige Amt Migranten von der Einreise abbringen. Nun musste es missverständliche Informationen korrigieren.
Das Ziel: Migranten an der Einreise zu hindern – oder gleich zur Umkehr zu bewegen.
Das Auswärtige Amt selbst erklärt, die Aufklärungskampagne #RumoursAboutGermany wende sich direkt an Personen, „die über eine Flucht nach Europa und insbesondere Deutschland nachdenken“. Die Deutungshoheit im Netz solle nicht allein den Schleusern überlassen werden: „Wir wollen verhindern, dass sich Menschen in ohnehin schwieriger Lage mit verklärten Vorstellungen und falschen Erwartungen auf den Weg machen.“ Gerüchten, die durch Schleusernetzwerke gestreut werden, sollten „objektive Informationen“ entgegengesetzt werden.
Wissenschaftler sehen das Projekt mit Skepsis. Eine „ausgewogene Information“ komme in dieser Aufklärungskampagne „praktisch nicht“ vor, schrieben Dana Schmalz sowie Nerges Azizi in einem Blogeintrag des Netzwerks Flüchtlingsforschung. Einige Angaben des Auswärtigen Amtes seien sogar „falsch“ beziehungsweise zumindest „irreführend“. So etwa eine Frage, die sich in einer früheren Fassung der Website findet: „Werden Sie zwangsweise abgeschoben, wenn Sie illegal kommen?“, heißt es darin. Die Antwort: „Ja.“
Die illegale Einreise ist kein Ausweisungsgrund
Hierzu schreiben die Autorinnen: „Das ist rechtlich falsch. Die illegale Einreise ist kein Ausweisungsgrund.“ Sie ist laut Artikel 31, Absatz 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, die auch Deutschland ratifiziert hat, sogar straflos, wenn die Betroffenen im Zielstaat um Asyl bitten. Das Prinzip nennt sich Pönalisierungsverbot. Das Auswärtige Amt erklärte, dass die ausführliche Antwort auf die Frage ja differenzierter sei. Darin heißt es: „Sie werden zwangsweise zurückgeführt, wenn Ihr Asylantrag abgelehnt wurde und Sie nicht freiwillig nach Hause gehen.“
Dana Schmalz (Rechtswissenschaftlerin am Göttinger Max-Planck-Institut) und Nerges Azizi (Politikstudentin an der Freien Universität Berlin) aber sagen: Selbst mit dieser Ausführung sei „die Beantwortung der Frage in dieser Weise irreführend“. Das Auswärtige Amt änderte die Frage schließlich. Sie lautet nun: „Werden Sie zwangsweise abgeschoben, wenn Ihr Asylantrag abgelehnt wurde?“
Auch in einem zweiten Sachverhalt korrigierte das Ministerium seine Angaben. Es geht um die Frage, ob sich der Anspruch auf Schutz nach der Nationalität oder Herkunft einer Person richtet. In einem violett unterlegten Kasten heißt es dazu: „Ihre Staatsangehörigkeit = Ihr Recht auf Asyl?“ Die Antwort lautete zunächst: „Nein. Nur Menschen, die Verfolgung oder ernsthaften Schaden erlitten haben, können auf ein Anrecht auf Schutz hoffen.“
Doch auch dieser Satz sei „nicht richtig“, schreiben die Autorinnen Schmalz und Azizi. Relevant sei nicht, was man bereits erlitten habe, sondern die begründete Furcht vor einer Verfolgung oder die Gefahr eines ernsthaften Schadens. Zwar finde sich in der längeren Zusammenfassung auch der Hinweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention und das deutsche Asylrecht; „die zusammenfassende Kurzinformation ist aber schlicht nicht korrekt“.
Dana Schmalz, Nerges Aziz
Das Auswärtige Amt erklärte dazu: Auf der Website „Rumours about Germany – facts for migrants“ werde das geltende Recht in mehreren Artikeln erklärt. „Die Kritik, dass die Gefahr der Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens als schutzbegründend unerwähnt bleibt, ist somit nicht korrekt.“ Jedoch sei die Darstellung „in manchen Überschriften und Textpassagen auf der Website verkürzt“ erfolgt. Nun heißt es im ersten Satz: „Nur Menschen, die Verfolgung oder ernsthaften Schaden erlitten haben oder diesen wahrscheinlich ausgesetzt sind, können auf ein Anrecht auf Schutz hoffen.“ Das Auswärtige Amt erklärte zu den Korrekturen: „Die beiden konkreten Hinweise der Autorinnen zu Formulierungen, die missverständlich sind, haben wir gerne aufgegriffen.“
#RumoursAboutGermany wird in Krisenregionen auf Englisch, Französisch und Arabisch angeboten. In Afghanistan gibt es spezielle Plakat- und Radiowerbung. Auch in Pakistan, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Westafrika informierte das Auswärtige Amt umfassend, oft in Zusammenarbeit mit Partnern wie der Internationalen Organisation für Migration, der Deutschen Welle, Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Journalisten.
Allein im Netz seien dadurch mehrere Millionen Nutzer erreicht worden, hieß es beim Auswärtigen Amt. Die Kampagne füge sich ein in die Bemühungen der Bundesregierung, „ein umfassendes und realistisches Deutschlandbild zu vermitteln“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr